Asklepios, eine Gottheit wahrer und nachhaltiger Heilung
aus der mythischen Welt der Lapithen und Kentauren
Clemens Zerling
Schon antike Autoren grübelten, ob es sich bei Asklepios um eine Gottheit, einen halbgöttlichen Heros oder um einen begnadeten Arzt handelte, den Anhänger zur Gottheit erhoben hatten. Heutige Forschung hält ihn ursprünglich für einen Fürst oder Kleinkönig. Während der mykenischen Hochkultur machte er zwischen dem 14. und 12. Jh. v. Chr. wahrscheinlich durch Heilerfolge von sich reden. Ab dem 5. Jh. v. Chr. stieg er jedenfalls reichlich unvermittelt zur volkstümlichsten gesamtgriechischen Gottheit auf. Ein bis zwei Jahrhunderte später, auf dem Höhepunkt seiner Verehrung, schossen im gesamten mediterranen Raum viele Hunderte sog. Asklepien wie Pilze aus dem Boden. Von manchen dieser Heiligtümer ging eine enorme Wirkkraft aus. Nicht selten unternahmen Kranke weite Pilgerreisen dorthin. Sie kamen zumeist mit der festen Überzeugung, nur Asklepios oder (römisch) Äskulap könne und werde ihre körperlichen oder seelischen Leiden heilen.
Gesellschaftspolitische Auflösungserscheinungen des 4. Jahrhunderts v. Chr. in Griechenland brachten frühe Aufklärer und religiöse Skeptiker hervor. Andererseits beunruhigten zunehmend Lehren der Orphiker und Pythagoreer über eine stete göttliche Präsenz im Innern jedes Menschen. Es verlangte geradezu nach neuen religiösen Antworten. Für Gebildete vermittelten Götter jetzt seelische Aspekte. Asklepios mitsamt seiner göttlichen Heilerfamilie personalisierte dann die Mysterien geistiger Selbstheilkräfte und -möglichkeiten im Menschen. Für schlichte Anhänger blieb er aber ein Gott, der mit ihnen fühlte und dem kein Leiden fremd war, äußerte es sich auch noch so körperspezifisch.
Dieses Buch geht mythologischen, geschichtlichen, religiösen und medizinhistorischen Fragen zu Asklepios nach. Es findet neue Annäherungen an die befremdlichen Kentauren und Lapithen, in deren Königsgenealogien er eingebunden wurde. Eingehend widmet es sich den Vorgängen während des Traumschlafes und stellt die wichtigsten Asklepien vor. Manche schwangen sich während der römischen Kaiserzeit zu noblen Kuroasen auf, die Ansprüche selbst verwöhntester Besucher zufrieden stellten. In einem solchen Heiligtum drehte sich das zentrale Geschehen um den sog. Inkubationsschlaf. In einer Halle, die nur dazu betreten werden durfte, zogen sich die Kranken am Abend gemeinsam zum Schlaf zurück und erwarteten eine Traumerfahrung. Im günstigsten Fall erschien den Patienten im Schlaf Asklepios selbst und behandelte sie. Heute sind Gemeinschaftsräume in gesunder Umgebung wieder sehr gefragt, wo eine spirituelle Atmosphäre und ein inspirierender Austausch das Feld der Heilungspotenzen verdichten. So lernen Leser auch den sog. göttlichen Arzt kennen, eine geheimnisvolle innere Instanz in jedem. Wirkliche und nachhaltige Heilung verlangt schließlich nicht zuletzt die Arbeit des „Erkenne dich selbst!“.