Brahms, der Mediterrane – Brahms, der Melancholische von Notthoff,  Thomas

Brahms, der Mediterrane – Brahms, der Melancholische

Experimentelle Ästhetik und vergleichende Interpretationsgeschichte

Der Musikkritiker Eduard Hanslick war der Ansicht, bei Brahms scheine nur selten die Sonne, und Nietzsche sah in Brahms den »norddeutschen Musiker« schlechthin, den Mann des rauen und abstarkten Nordens. Seine Musik sei kühl, herb und nebelig. Brahms, der Nordische, der Melancholische. Doch ist das eigentlich zutreffend? Zwischen 1878 und 1893 unternahm der Komponist nicht weniger als acht Italienreisen. Von Brahms, dem Melancholiker, lässt sich somit nicht sagen, er habe sich sein Leben lang häuslich eingerichtet.

Seine Musik hat – lange Zeit tabuisiert oder ignoriert in Forschung und Feuilleton, in Konzertsaal und Kritik – vielleicht nicht ein außermusikalisches Programm, aber dennoch ein starkes semantisches Potenzial. Doch was für eine Bedeutungssphäre ist das, diese Semantik des Südens, der der Autor in seinem Essay nachspürt? Für ihn ist Brahms‘ Musik geradezu eine Musik der Karstregion des Südens, angeweht vom Mediterranen, schon die Meeresluft der Adria atmend. Mit CDs im Gepäck begibt er sich deshalb auf eine Reise nach Slowenien, da er davon überzeugt ist, dass man diese mediterrane Sinnlichkeit in Brahms‘ Musik verstärkt wahrnehmen kann, wenn man sie anderen Umgebungen und Einflüssen aussetzt.

Im Zentrum dieses ästhetischen Experiments steht der Vergleich verschiedener Einspielungen der zweiten und vierten Symphonie – nicht nur, aber vor allem von Wilhelm Furtwängler und Carlos Kleiber. Brahms der Mediterrane, Brahms der Melancholische – vor allem Kleiber gelingt es, diese ambivalente Beziehung herauszuarbeiten. Trotz der speziellen Sinnlichkeit bleibt Brahms‘ Musik doch anders und fremd im Süden, zu dem sie mehr Sehnsuchtsbeziehungen als wirkliche Gemeinsamkeiten mit ihm hat. Ihr ist eine Semantik der Sehnsucht inne: nicht der, der den Süden hat, spricht sich hier aus, sondern der, der ihn zwar kennt, sich aber innerlich von ihm getrennt weiß. Es bleibt eine unüberbrückbare Distanz, ein Nichtganzheimischwerden, eine Trauer über den Stolz des Nichtankommens, sogar der mangelnden Erfüllung und der schließlichen Entsagung. Ausführliche Informationen erhalten Sie unter www.editionargus.de.

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