Briefe an Jonas Lesser und Siegfried Trebitsch 1939-1954
Thomas Mann, Franz Zeder
So wie Joseph, der Begünstigte, den „Überschatteten und Untertretenen“ seine Schuldigkeit erwies, so fühlte sich auch Thomas Mann zur Konzilianz verpflichtet, wenn er es mit den unteren Rängen zu tun bekam. Nicht wenige waren es, die auf diese Weise seine Lebensbahn kreuzten. Und zu diesen minder Beglänzten zählen gewiß auch die beiden Wiener Schriftsteller Jonas Lesser (1895-1969) und Siegfried Trebitsch (1868-1956), mit denen Thomas Mann eine jahrzehntelange Freundschaft unterhielt. Diese läßt sich jetzt anhand einer stattlichen Zahl von Briefen dokumentieren, einläßlichen Schreiben über oft mehrere Seiten, die erstmals geschlossen publiziert werden können. 86 Briefe sind erhalten geblieben, verfaßt im amerikanischen Exil, als die Briefschulden täglich drückender wurden und Thomas Mann dennoch keinen Augenblick gezögert hat, die aufwendige Korrespondenz mit den beiden jüdischen, aus Österreich geflohenen Schriftstellern fortzusetzen. Mit Jonas Lesser, dem werkkundigen Interpreten in London, suchte er die Verbindung zu halten, um Auskünfte über Stoff- und Motivfragen einzuholen. Auch über entlegene Zitate, die ihm selber entfallen waren, wußte dieser Privatgelehrte auf Anhieb Bescheid. Siegfried Trebitsch war ein alter und treuer Freund des Hauses, der in Zürich zurückgeblieben war: die Briefe an ihn sind privaterer Natur und besitzen wegen einiger schrulliger Züge des Adressaten einen nicht unbeträchtlichen Unterhaltungswert.