Cipolla und die Masse
Zu Thomas Manns Novelle 'Mario und der Zauberer'
Regine Zeller
Thomas Manns Mario und der Zauberer, auf den ersten Blick lediglich ein Bericht über die merkwürdigen Ereignisse während eines Italienaufenthaltes, liefert bei näherem Hinsehen eine sinnbildliche Darstellung der Beziehung von faschistischem Herrscher und Volk. Während die faschistische Gesellschaft im ersten Teil der Erzählung unmittelbar zum Thema gemacht wird, handelt der zweite Teil von der Vorstellung eines Hypnosekünstlers, die über ihren gleichnishaften Charakter eine politische Bedeutung erhält.
Verbindendes Element zwischen den beiden Teilen ist das Phänomen der Massenbildung. Die vorliegende Studie zeigt unter Bezugnahme auf die massenpsychologischen Schriften Gustave Le Bons und Sigmund Freuds, dass im ersten Teil der Novelle eine phänomenologische Darstellung der Masse geliefert wird und der zweite Teil die psychologischen Strukturen der Massenbildung aufdeckt, der sich niemand – auch nicht der Erzähler – entziehen kann. Da die Masse dabei als konstitutives Merkmal des Faschismus präsentiert wird, erlaubt es diese Interpretation, Mario und der Zauberer als politischen Text zu lesen.
Die Arbeit wurde 2005 mit dem Förderpreis der Deutschen Thomas Mann-Gesellschaft ausgezeichnet.