Das Lüth-Urteil aus (rechts-)historischer Sicht
Die Konflikte um Veit Harlan und die Grundrechtsjudikatur des Bundesverfassungsgerichts
Thomas Henne, Arne Riedlinger
Das Lüth-Urteil von 1958 ist die bekannteste und wichtigste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Grundrechten. Bis heute ruht die bundesdeutsche Rechtsordnung zu wesentlichen Teilen auf diesem Urteil. Den Ausgangspunkt für dieses Urteil lieferte Veit Harlan mit seiner Regie im NS-Film „Jud Süß“. Als Harlan deshalb nach 1945 angeklagt, aber freigesprochen worden war, rief 1950 der Hamburger Politiker Erich Lüth zum Boykott gegen Nachkriegsfilme Harlans auf. Die Zivilgerichte der Hansestadt untersagten jedoch Lüths Aufruf als sittenwidrige Schädigung von Harlans Filmfirmen. Lüth legte daraufhin in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde ein, berief sich auf die Meinungsfreiheit – und gewann.°°Mit diesem Band wird erstmals eine umfassende Analyse des epochalen Lüth-Urteils und seiner langjährigen, spektakulären Vorgeschichte vorgenommen. Rechtshistoriker, Historiker und Filmwissenschaftler untersuchen in zwanzig Aufsätzen multiperspektivisch die Vorgänge und ihre Hintergründe. Die Analysen werden ergänzt durch die erstmalige Edition von Aktenauszügen aus jenen Straf- und Zivilverfahren, die dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorangingen. Auch die wichtigsten Anwaltsschriftsätze aus dem Verfahren vor dem Karlsruher Gericht sind – zusammen mit der Lüth-Entscheidung selbst – in den umfangreichen Dokumententeil aufgenommen worden. Materialien zum „Jud Süß“-Film und ein biographischer Anhang zu den beteiligten Juristen runden das Buch ab. Vorgelegt wird damit ein Handbuch, das sich an Juristen, Historiker und Medienwissenschaftler und an all jene richtet, die sich für die juristische und politische Zeitgeschichte sowie die formative Phase der Bundesrepublik Deutschland interessieren.