„Das Reich Gottes hier in Wien“
Evangelisches Leben in der Reichshauptstadt während der Regierungsjahre Kaiser Karls VI
Stephan Steiner
In einer Zeit massiver Verfolgung des Protestantismus im Habsburgerreich wurden Kapellen in den Gesandtschaften Dänemarks, Schwedens und der Niederlande zum Zufluchtsort für ein zaghaftes evangelisches Leben im (fast ausschließlich) katholischen Wien. Der Grundstein für eine Subkultur war gelegt.
Trotz der harten Verfolgungsmaßnahmen, die in der Habsburgermonarchie während der Frühen Neuzeit gegen den Protestantismus angewandt wurden, gab es seit dem Ende des 17. Jahrhunderts ausgerechnet in der Haupt- und Residenzstadt Wien drei Orte, an denen evangelische Prediger ihre Funktionen vollkommen legal ausüben durften. Die Gesandtschaften Dänemarks, Schwedens und der Niederlande unterhielten in ihren Räumlichkeiten nämlich sogenannte Legationskapellen, die zu protestantischen Enklaven wurden. Die dänischen und schwedischen Predigerposten wurden zudem seit den 1720er Jahren beinahe ausschließlich mit Pietisten hallescher Prägung besetzt, welche die Religionspolitik im gesamten Habsburgerreich aufs Genaueste beobachten und ihre Netzwerke für zahlreiche Interventionen nutzten. Der Handlungsspielraum, Aktionsradius und Erfindungsreichtum der Prediger und ihres „Soziotops“ wird für die Regierungsjahre Kaiser Karls VI. in diesem Band zum ersten Mal im Detail dargestellt.