»Das Schönste ist scheußlich«
Alexander Zemlinskys Operneinakter Der Zwerg
Ulrich Wilker
Alexander Zemlinskys Oper Der Zwerg gilt als konservatives Werk eines Komponisten, der sich zwar dem Schönberg-Kreis zugehörig fühlte, den Schritt in die Atonalität aber nie vollzogen hat. Doch die Handlung des Einakters, in dem sich „das Schönste“ als „scheußlich“ (und umgekehrt) entlarvt, erschüttert ästhetische Gewissheiten, die musikalische Faktur ist brüchig. Im unvermittelten Nebeneinander heterogener Tonfälle stellen spätromantischer Klangrausch und expressionistische Verzerrung die Pole dar, zwischen denen sich die selbstreflexive Identitätssuche des zwischen den stilistischen Stühlen stehenden Komponisten Zemlinsky abspielt. Der Zwerg lässt sich somit als Künstleroper deuten, die die kompositorische Identitätskrise der musikalischen Moderne im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts dokumentiert. Der Protagonist verkörpert dabei als Anti-Narziss das Sinnbild einer Moderne, die mit dem Aufkommen der neuen Musik sich selbst problematisch wird.