Die 92 Büsten der Eva Perón
Carlos Gamerro, Birgit Weilguny
Der Generaldirektor einer argentinischen Baufirma ist von linksperonistischen Rebellen entführt worden, was im Argentinien der Siebzigerjahre tatsächlich häufiger vorkam. Allerdings fordern die Rebellen für seine Freilassung diesmal, dass in der Firmenzentrale 92 Evita-Büsten aufgestellt werden müssen.
Besorgen soll diese Ernesto Marroné, der karrieregeile Einkaufsleiter der Firma und begeisterte Leser von Wirtschaftsratgebern à la Wie man Freunde gewinnt, Samurai-Prinzipien für Manager oder Don Quijote – Der fahrende Manager von der Mancha. Natürlich wittert er vor allem eine Beförderung, jedoch gestaltet sich die Suche nach den Büsten schwieriger als gedacht: Zuerst besetzen Arbeiter die Gipsfabrik, die sie produzieren sollte. Dann geht es Schlag auf Schlag und er gerät mitten in den gesellschaftlichen Aufruhr in einem Argentinien, in dem tagtäglich der nächste Militärputsch oder die nächste Guerilla-Aktion droht; in dem aber auch die ärmere Bevölkerungsschicht nach wie vor ihrer »Evita« und der ersten Perón-Regierung nachtrauert.
Das Buch ist nicht nur ein satirischer Bildungsroman, in dem Marroné seine Sozialisierung in der Oberschicht und sein bisheriges Leben zu hinterfragen beginnt, es hält trotz aller Groteske eine international verständliche Botschaft bereit: Die historische Verklärung der Vergangenheit, oder auch mancher umstrittener Führerfiguren, führt zuweilen schwerstens in die Irre.