Die Entstehung sozialer Normen
Klaus Eichner
Die Identifizierung einer sozialen Norm in einem Kollektiv über soziales Verhalten – d.h. über das normierte Verhalten bzw. über die Sanktionierung abweichenden Verhaltens – erweist sich, so scheint es, als Sackgasse. Unabhängig davon, ob das, was als Kriterium der ~~essung von sozialen Normen vorgelegt wird, mit der sozialen norm selbst identisch ist oder ob eine soziale Norm mehr ist als das, was das Meßkriterium beschreibt – darauf wird am Ende dieses Kapitels ganz allgemein zurückzu kommen sein – ist das soziale Verhalten offensichtlich kein brauchbarer Indikator für das Vorliegen einer sozialen Norm. Normiertes Verhalten als Normkriterium erweist sich als überflüssige „Verdoppelung“ der sozialen Realität: Das, was ohnehin geschieht und ohnehin Gegenstand soziologischer Theo rienprüfung ist, wird nach einem solchen Kriterium zu einer 15 zweiten Realität stilisiert, der normativen. ) Sanktion als Normkriterium ist der problematische Versuch, eine Unterklasse von Normen zum Meßkriterium für Normen an sich zu machen. 2.2. Soziale Normen als „soziale Tatsachen“ In der bisherigen Darstellung wurde davon ausgegangen, daß so ziale Normen sich zwar auf Kollektive beziehen, Kriterium des Vorliegens einer sozialen Norm jedoch jeweils das soziale Ver halten von Individuen aus dem Kollektiv sei, (wenn auch etwa in Form sogenannter analytischer kollektiver ~1erkmale, wie etwa Durchschnittsverhalten etc., d.h. durch Verrechnungen in dividueller Daten zu Kennziffern für ein Kollektiv).