Die frühen Jahre
Mart Stam, das Institut und die Sammlung industrielle Gestaltung
Hildtrud Ebert, Renate Flagmeier, Thomas Flierl, Cornelia Hentschel, Hein Köster, Ann Kristin Kreisel, Werner Möller, Walter Scheiffele, Jens Semrau
Mart Stam zählte zu den bedeutendsten Architekten und Formgestaltern der internationalen Avantgarde. Er entwarf im Rahmen der Bauausstellung des Deutschen Werkbunds für den Stuttgarter Weißenhof einen Reihenhaustyp, zu dessen Innenausstattung ein hinterbeinloser Kragstuhl gehörte, der Prototyp des berühmten Freischwingers. Diese »Stilikone« wird in mehreren Varianten bis heute produziert und nachgeahmt. Stam unterrichtete am Bauhaus in Dessau und projektierte in der »Brigade May« in den 1930er Jahren Städte in der Sowjetunion. Nach Kriegsende ging er in die SBZ/DDR, wurde dort 1948 Rektor sowohl der Hochschule für Werkkunst als auch der Akademie der Bildenden Künste in Dresden, im Anschluss daran 1950 Direktor der Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee. Dort gründete und leitete er das Institut für industrielle Gestaltung. Bald als »bürgerlicher Formalist« stigmatisiert, verließ Stam die DDR Ende 1952 und kehrte nach Holland zurück.
Der Ausstellungsbegleitband widmet sich der Aufbruchsphase der industriellen Gestaltungskultur in der DDR und hier insbesondere der Arbeit Mart Stams. Um 1950 bestanden ungeachtet der nachkriegsbedingten Mangelwirtschaft vielerlei Gestaltungsintentionen, Produktformen, Entwicklungsstadien nebeneinander. Die Klarheit der Ansätze Stams und seines Kreises steht erkennbar für sich. Sein Institut für industrielle Gestaltung prägte das ostdeutsche Produktdesign durch die Ausrichtung auf eine industrielle, funktions- und technologiegerechte, gleichzeitig gediegene und bescheidene dauerhafte Gestaltung von Alltagsgegenständen.
Die Beiträge, Dokumente, Interviews und Abbildungen in dieser Publikation vermitteln kaum bekanntes Material zum Leben und Wirken Mart Stams von seinem Engagement für die UdSSR 1930–34 bis zu seinem Wirken in der SBZ/DDR zwischen 1948 und 1952. Betrachtet wird aber auch die Folgeentwicklung, als das umbenannte Institut für »angewandte Kunst« weniger moderne, dafür mehr handwerklich-dekorative Formen durchzusetzen versuchte.