Die Geometrie des Verzichts von Misiak,  Anna Maja, Vogel,  Debora

Die Geometrie des Verzichts

Gedichte, Montagen, Essays, Briefe

Eine faszinierende europäische Schriftstellerin der Avantgarde und emanzipierte Intellektuelle – daß Debora Vogel heute fast unbekannt ist, ist eigentlich nur dadurch zu erklären, daß sie ausgerechnet Jiddisch zur Literatursprache wählte, sich unter Männern zu behaupten hatte, in der galizischen Provinz schrieb, und daß ihr gewaltsamer Tod 1942 ihrem Schaffen ein Ende setzte. Nur der innigen Freundschaft mit dem heute berühmten Erzähler und Graphiker Bruno Schulz (1892-1942) ist zu verdanken, daß ihr Name nicht gänzlich in Vergessenheit geriet.
Ihre beiden Gedichtsammlungen „Tagfiguren“ (1930) und „Schneiderpuppen“ (1934) sind hier auf Jiddisch – in Umschrift – und in der Übersetzung zu lesen. Vogels Lyrik spiegelt ihre Faszination für geometrische Figuren wider, drückt Liebesverluste oder ihr wachsendes Unbehagen mit dem Kapitalismus aus. Ihre Großstadtgedichte fangen urbane Bilder aus Paris und Berlin ein. Ihrem Lebensmittelpunkt Lwów (Lemberg) und ihren familiären Wurzeln spürte sie 1937 in einem Essay nach.
Ihre experimentellen Montagen „Akazien Blühen“ (1935) waren den meisten Zeitgenossen zu entindividualisiert, handlungsarm und scheinbar intentionslos. Vogels Essays zeigen die Modernität und Breite auch ihres theoretischen Schaffens. Darin beschäftigt sie sich neben soziologischen Themen – so dem Judenhass – intensiv mit mit Kunst (Chagall, Witkacy, Malevic, Henryk Streng, Bruno Schulz), Film und Literatur, so u. a. auch mit D. H. Lawrence, Thomas Mann, Brecht, B. Traven, E. Lasker-Schüler, Céline, Rudolf Brunngraber. Vogels Poetik und die Hürden des Literaturbetriebs teilen sich in ihren Briefen mit, u. a. denen an Bruno Schulz oder die Vertreter der jiddischen Moderne in New York, die „Inzichisten“ wie Aaron Glanz-Leyeles. Mit dieser Ausgabe ist Debora Vogel erstmals angemessen auf Deutsch zu entdecken.

Debora Vogel (1900-1942) wuchs in einem Polnisch, Deutsch und Hebräisch sprechenden Umfeld auf; das Jiddische wählte sie sich zur Literatursprache. 1926 promovierte sie in Krakau über hegel, ab 1928 lehrte sie in Psychologie und Literatur in Lwów, arbeitete als Erzieherin im jüdischen Waisenhaus, als Autorin, Übersetzerin, Kunst- und Literaturkritikerin. 1942 wurde sie – zusammen mit ihrem Mann und ihrem Kind – im dortigen Ghetto ermordet.

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