Die Geschichte der Südbremse
Günter Zimmermann
Vorwort
Der 6. Juli 1922 ist ein geschichtsträchtiges Datum für die Münchner Industriegeschichte. An diesem Tag vor einhundert Jahren wurde die Trennung von zwei Münchner Großunternehmen, den Bayerischen Motoren Werken und der Knorr-Bremse, vollzogen. Sie sind heute noch ein Aushängeschild, das München weltweit nicht nur als Kulturstadt, sondern auch als Industriestandort bekannt macht.
Mit diesem Tag beginnt auch die Geschichte eines Unternehmens, der Süddeutschen Bremsen AG. Sie wurde nach dem Auszug der Bayerischen Motoren Werke (BMW) aus dem heutigen Knorr-Bremse-Gelände gegründet. BMW zog unter Mitnahme des Namens, des Knowhows und der im Motorenbereich tätigen Führungskräfte und Mitarbeiter auf ein Gelände in die Lerchenauerstraße nahe dem heutigen Petuelring, wo heute noch die Zentrale des renommierten Automobilherstellers ist.
Zurück geblieben sind samt dem wuchtigen Zentralgebäude, das heute unter Denkmalsschutz steht, die Fertigungshallen mit den für deren zur Versorgung notwendigen Nebengebäuden. Sie blieben als Tochterunternehmen im Besitz der Knorr-Bremse AG in Berlin. Von dort wurde ihr der Name „Süddeutsche Bremsen AG“ (SB) gegeben.
Es begann eine wechselhafte Geschichte. Die Münchner nannten das Unternehmen künftig kurz „Südbremse“. Es hatte die Zeitläufte bis zum einschneidenden Jahr 1985 so gut überstanden, dass sie bei der Fusion mit der Knorr-Bremse GmbH dem fusionierten Unternehmen den Mantel einer Aktiengesellschaft überstülpen konnte. Es firmierte fortan als „Knorr-Bremse AG“. – Die Knorr-Bremse GmbH kam sozusagen nach dem Zweiten Weltkrieg als „Flüchtling“ von Berlin nach München; das Stammwerk lag in Ostberlin. Dort firmierte es als Volkseigener Betrieb (VEB) Berliner Bremsenwerk. Die Verbindungen dorthin sind nicht zuletzt wegen Lizenzen nie ganz abgerissen, was sich im Jahr der Wiedervereinigung 1990 auszahlte.
Dieser kurze Abriss aus den Firmengeschichten der Bayerischen Motoren Werke und der Knorr-Bremse ermöglicht uns als Zeitdokument einen Einstieg und eine Ortung der Firmengeschichte der „Südbremse“. Mehr als ein halbes Jahrhundert sind seit der Fusion im Jahr 1985 vergangen. Die Zeit legt zunehmend einen Schleier über das einst so renommierte Unternehmen, das in den Jahren ihres Bestehens von den Münchnern als eines der großen Betriebe geschätzt wurde.
Das Material des Firmenarchivs reicht aber nicht aus, sich der Menschen, die diese Geschichte durch ihr Wirken geschrieben haben, zu erinnern, sowie die vielfältigen Produkte, die bei SB gefertigt wurden, festzuhalten. Noch sind wir in der glücklichen Lage, so wird festgestellt, dass ehemalige Mitarbeiter aus der Erinnerung heraus vom Beginn der Firmengeschichte zu erzählen wissen. Personalchef der Südbremse Günter Zimmermann regte daher an, das in der Erinnerung Haftende aufzuschreiben. An den Sitzungen nahmen Hermann Baitinger, Anton Geiger, Josef Mayrle, Wilhelm Zimmermann und Herlene Erlacher teil. Aus ihnen gingen im Wesentlichen die Aufzeichnungen der Südbremse-Geschichte durch Anton Geiger hervor. Er war langjähriger Mitarbeiter in der Betriebsbuchhaltung und dann stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Er ist 1982 verstorben.
Unter dem Titel „Menschen-Fakten-Episoden“ werden seine Beiträge zur Südbremse-Geschichte in der Firmenzeitschrift SÜDBREMSE INTERN in 21 Folgen – oft sehr detailliert – festgehalten. Wegen dieser akribischen Aufzeichnungen stand der Verfasser dieses Buches vor den Alternativen, den Text einzukürzen oder ihn zu belassen. Er entschied sich für die umfangreichere zweite Version. Sie ermöglicht, die Menschen, die diese Geschichte durch ihr Wirken geschrieben haben, bleibend in Erinnerung zu behalten, und die vielfältigen Produkte, die sie in der Südbremse gefertigt haben, zu dokumentieren. Um die Lesbarkeit dieser umfänglichen Aufzeichnungen zu erleichtern, wurde daher dem Text in einer vorgeschalteten Spalte in Kurzform Inhalte festgehalten.
SÜDBREMSE INTERN bot auch die Basis für Berichte, die nach Auslaufen der 21 Folgen die weitere Fortführung der Südbremse-Geschichte ermöglichten. Die Firmenzeitschrift stellte mit der Fusion der Süddeutschen Bremsen AG mit der Knorr-Bremse GmbH im Jahr 1985 zur Knorr-Bremse AG ihr Erscheinen ein. Zu diesem Zeitpunkt endet auch die Südbremse als eigenständige Münchner Firma, die vom Jahr 1922 bis 1985, also 53 Jahre, währte.