Die Mechanismen der Skandalierung
Die Macht der Medien und die Möglichkeiten der Betroffenen
Hans M Kepplinger
In immer schnellerer Abfolge werden in den Medien Skandale „produziert“, die sich bei näherem Hinsehen in Bezug auf die Wahrheit völlig anders darstellen. Es handelt sich um Skandale, die sowohl Wirtschaftsunternehmen (der Ernährungsindustrie, der Chemie-, Pharma- oder ölindustrie) als auch Parteien, Politiker und andere Amtsinhaber sowie Prominente betreffen können:
So erfuhr man im Wahljahr 2002 u.a. von der privaten Nutzung dienstlich erworbener Bonus-Meilen durch Cem özdemir und Gregor Gysi sowie vom Tod mehrerer Diabetiker nach der Einnahme des Cholesterinsenkers Lipobay der Bayer AG; 2003 war man „erschüttert“, als die Nachricht vom Kokainkonsum des Fernsehjournalisten Michel Friedman und des Malers Jörg Immendorff durch die Medien ging und als in China die Lungenseuche SARS ausbrach; 2004 wurde man „informiert“ über die Silvesterfeier des Bundesbankpräsidenten Ernst Welteke und seiner Familie auf Kosten der Dresdner Bank, über den Autobahnraser Rolf F., der eine junge Mutter auf dem Gewissen hatte, über die Rechtfertigung der Folterung von Terroristen durch den Historiker Michael Wolffsohn sowie über die tödlichen Nebenwirkungen des Rheumamittels Vioxx der amerikanischen Firma Merck.
Gegen den publizistischen Mainstream zeigt Kepplinger auch in der zweiten Auflage anhand von neuen Fallbeispielen der letzten Jahre, wie der Prozess der Skandalierung abläuft und welche Mechanismen dabei regelmäßig wirksam werden: Wie aus einem Missstand ein Skandal, aus einem ertappten Täter ein hilfloses Opfer, ein desinteressiertes Publikum zu einer empörten Masse wird – und dass dies alles mit der Wahrheit nur wenig zu tun hat.