Die Türme von Barchester
Roman
Doris Feldmann, Andrea Ott, Anthony Trollope
Selten wurde das Leben von Provinzgrößen so lustvoll seziert wie in Anthony Trollopes Roman über Adel und Geistlichkeit in der fiktiven englischen Grafschaft Barsetshire. Der feinsinnige Beobachter menschlichen Treibens legt augenzwinkernd den Mechanismus der Macht und dessen Rädchen bloß, die Neid, Geltungssucht und Intrige heißen.
Bischof Proudie sucht nach einem neuen Leiter für das Hiramsspital. Den früheren Vorsteher, Septimus Harding, mit diesem Posten zu betrauen, scheint naheliegend – ginge es dabei nicht um viel Grundsätzlicheres: um die Frage nämlich, wer die Entscheidung treffen und damit im Haus des Bischofs künftig den Ton angeben darf. Die herrische Gattin des kirchlichen Oberhauptes oder der intrigante Kaplan Slope – oder doch der Amtsinhaber selbst? Zwischen die sich formierenden Fronten gerät nicht nur der sanftmütige Harding, dessen Ticks, verbunden mit einer fast kindlicher Arglosigkeit, die Leser schon im ersten Band von Trollopes Barsetshire-Serie liebgewinnen durften. Auch seine verwitwete, nunmehr vermögende Tochter Eleanor kommt, von gleich drei Männern der Gemeinde hofiert, völlig unschuldig ins Gerede: Wird sie dem Drängen des cleveren Slope nachgeben, hilft sie dem Bruder der verrufenen Signora Vesey-Neroni aus der finanziellen Not oder fällt ihre Wahl doch auf den ehrenwerten Francis Arabin, den Gegner Slopes? Die Antwort auf diese und weitere heißumstrittene Fragen gibt Anthony Trollope in spritzigen Dialogen und komischen Szenen, die er von einem ebenso einfühlsamen wie ironisch-wohlwollenden Erzähler kommentieren läßt. Auch sein grandioses Figurenkabinett, das kluge Menschenkenntnis und versöhnliche Menschenliebe verrät, macht diesen Roman des erklärten Schülers von Jane Austen zu einem wahren Lesevergnügen.