Die Wormser Propheten
von Gustav Georg Zeltner im Jahre 1734 herausgegebenes Sendschreiben
Ulrich Bister
Die Wormser Propheten
Das von Gustav Georg Zeltner im Jahre 1734 herausgegebene Kurtze Sendschreiben scheint die früheste Erläuterung
zur Wormser Propheten-Bibel zu sein, und nach Auffassung späterer Kommentatoren muß der Verfasser selbst die
überaus seltene Bibelausgabe gekannt und gründlich geprüft haben. Daß uns heute nur noch wenige Exemplare der
sog. Wormser Täuferbibel bekannt sind, mag darin begründet sein, daß die bekannten und eng befreundeten Täuferlehrer
Hans Denk (1495 – 1527) und Ludwig Haetzer (1495/1500 – 1529, hingerichtet in Konstanz) als Bearbeiter dieser
alttestamentlichen Teil-Bibel verantwortlich zeichnen. Sowohl Luther (bei Schoeffer in Worms, 1529) wie auch
und gerade Zwingli und die Mitarbeiter der Prophezei (bei Froschauer in Zürich, 1531) haben bei der Fertigstellung
der ersten deutschen Vollbibelwerkbearbeitungen eindeutig auf die Wormser Propheten zurückgegriffen. Allerdings
konnte und wollte man die als musterhafte Übertragung aus dem Hebräischen und die als wichtigste schriftliche
Vorlage anerkannte Vorarbeit nicht unbedingt erwähnen, auch wenn noch 11 weitere Auflagen dieser Prophetensammlung
von den Täuferfreunden in Augsburg, Hagenau und Worms innerhalb der folgenden fünf Jahre herausgegeben wurden.
Bemerkenswert bleibt auch, daß gleichzeitig eine für den Handgebrauch bestimmte, redaktionell mit Veränderungen
versehene Ausgabe erschien (im Vergleich zu den 152 Bll. der Folioausgabe jetzt 439 Bll.). Alle diese genannten
(Propheten-) Bibelausgaben sind äußerst selten nachzuweisen, die für uns so wichtige Vorrede mit dem Hinweis auf
die Bearbeiter des Werkes erscheint dabei nur in der ersten, der Folio- (und auch der Oktav-)ausgabe.
Ganz zufällig wurde das Sendschreiben in der Alten Bibliothek des Herborner Seminars entdeckt, und das inzwischen
vermehrte Interesse an den Anfängen der Täuferbewegung in Deutschland ermutigt dazu, den vorliegenden Nachdruck
weiterzugeben, auch um die fast vergessenen Propheten neu aufzuspüren und zu erschließen. Nach J. F. Gerhard Goeters
(Ludwig Haetzer, 1957) handelt es sich hierbei um die erste reformatorische Prophentenübersetzung, und Luther selbst
muß diese Arbeit als Eingriff in seine eigensten Rechte gesehen haben, wiederum aber das Erscheinen zum Anlaß
genommen haben, seine Arbeit abzuschließen; darüberhinaus seien unter den Wormser Mitarbeitern Juden gewesen, die
Christo nicht große Huld erzeigt hätten!
Gerade dieser Umstand scheint deswegen von Bedeutung zu sein, weil mit der Bearbeitung und Vertiefung der
prophetischen Heilsaussagen im Alten Testament unter den Täufern die Naherwartung des kommenden Messias
erstmals bedacht, und nicht ohne Grund auch unter den zahlreichen Juden in Worms das Interesse an dieser
Thematik sichtbar wurde. Für die Wertschätzung der Propheten sollte so weniger die sachgemäße philologische
Beurteilung, sondern das kirchlich-dogmatische Verständnis in Zukunft von Bedeutung sein.
Ulrich Bister, Herborn