Diskrete Migration als Anlaufstrategie für Montagesysteme
Thomas Gartzen
Als Produktionsanlauf wird die Phase bezeichnet, in der ein vormals im Planungsstadium befindliches Produktionskonzept in den Serienbetrieb übergeht. Diese Phase bildet für produzierende Unternehmen im Seriengeschäft eine Schlüsselstelle im Lebenszyklus eines Produk-tionssystems, da Gewinne, die im Anlauf durch eine verspätete Markteinführung der Produkte entgangen sind, später nicht mehr erwirtschaftet werden und Kunden in der frühen Phase der Markteinführung wesentlich preisbereiter sind. Die Bewältigung dieser strategisch und wirtschaftlich bedeutenden Phase wird jedoch durch den komplexen Charakter des Produktionsanlaufs und der damit einhergehenden Instabilität des Produktionssystems erschwert. Denn während des Anlaufs werden alle Gestaltungsobjekte des Systems sowie die entsprechenden Fachdisziplinen erstmalig zueinander in Beziehung gesetzt. Die Komplexität liegt daher in der starken gegenseitigen Beeinflussung dieser Objekte und in der dynamischen Entwicklung des noch unreifen Produktionssystems begründet. Dieser Umstand führt zu einem instabilen Verhalten des Systems und verhindert die Einhaltung der Ziele im Anlauf. Die Montage als letzte Stufe im Produkterstellungsprozess muss dabei wie kein anderer Bereich die Komplexität und Instabilität der Anlaufphase bewältigen. Unternehmen verwenden zu diesem Zweck bereits teilweise Methoden und Werkzeuge, um auf die Instabilität während des Anlaufs reagieren zu können, jedoch mangelt es nach wie vor an einer Anlaufstrategie, die die Implementierung eines Montagesystems in Abhängigkeit seiner individuellen Komplexität gestaltet und abhängig vom Systemverhalten während des Anlaufs steuert. Die vorliegende Arbeit greift diese Problematik auf und es wird eine Methodik entwickelt, um den Anlauf von Montagesystemen unter Berücksichtigung der systemspezifischen Komplexität zu stabilisieren und die Anlaufeffizienz und -effektivität nachhaltig zu steigern. Im Zentrum steht dabei der Ansatz, die Anlaufphase des Montagesystems als Migration aufzufassen, in der das Montagesystem evolutionär aufgebaut und kontinuierlich weiterentwickelt wird. Um diese Migration systematisch zu gestalten, werden in der Arbeit nicht nur Modelle entwickelt, um die Komplexität und Instabilität eines Montagesystems zu beschreiben, sondern auch um in Abhängigkeit der Systemkomplexität die Neigung zum instabilen Verhalten bereits in der Planung zu antizipieren. Darauf basierend werden Migrationsmaßnahmen vorgestellt, die dem Anlaufmanager ermöglichen, die Komplexität des Montagesystems während des Anlaufs gezielt zu beeinflussen und somit den Anlauf effektiv und effizient durchzuführen.