Ein Arzt in Stalingrad
Feldpostbriefe und Gefangenenpost des Regimentsarztes Horst Rocholl 1942-1953
Jens Ebert
Am 14. Januar 1943 schrieb der Arzt Dr. Horst Rocholl (1908-2003) an seine Frau: ‚Der Soldat im Graben kann verwundet, schwer verwundet oder krank nach Hause kommen. Ich durfte nicht nach vorn, weil ich Arzt bin und unsere Soldaten wieder kampffähig machen muss. So warte ich den Tag ab, vor dem mir graut, nicht wegen des wahrscheinlichen Todes, nein, wegen dessen, was ich dabei sehen und fühlen muss.‘
Die Schlacht um Stalingrad war das zentrale Ereignis in Horst Rocholls Leben, das seine weitere Weltanschauung bestimmte. In der Kriegsgefangenschaft öffnete sich das NSDAP-Mitglied neuen Ideen, geprägt von der Einsicht in die deutsche Schuld. Trotz Mitarbeit im Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) wurde er 1948 zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt, die er in Workuta und als Arzt in einem Stalingrader Lager verbüßte. Hier lernte er Ottmar Kohler kennen, das Vorbild für Konsaliks Roman ‚Der Arzt von Stalingrad‘, einem Roman, mit dem sich Rocholl später äußerst kritisch auseinandersetzen wird. 1953 wurde er vorzeitig entlassen und ging in die DDR, wo er als Arzt praktizierte und Gründungsmitglied der ‚Arbeitsgemeinschaft ehemaliger Offiziere‘ war.
In seinen zahlreichen Briefen an die Familie, die hier erstmals veröffentlicht werden, wird die Entwicklung Rocholls vom regimetreuen Offizier unter Hitler zum kritischen Antifaschisten nachvollziehbar.
Im Wallstein Verlag erschienen: Briefe einer Rotkreuzschwester von der Ostfront, hg. von Jens Ebert und Sibylle Penkert (2006); Feldpostbriefe aus Stalingrad, November 1942 bis Januar 1943, hg. von Jens Ebert (2003)