Ein Sokrates der DDR
Nachdenken über Dieter Strützel (1935-1999)
Jens F Dwars, Dieter Hausold, Christiane Schneider, Paul Wellsow
Dieter Strützel war Kultur- und Literaturwissenschaftler, Lektor beim Mitteldeutschen Verlag, Kultursoziologe an den Universitäten Leipzig und Jena sowie ab 1990 Vorsitzender der PDS Gera und stellvertretender Landesvorsitzender der PDS Thüringen. Er wirkte in zwei politischen Systemen – in beiden gegen den Strom der Zeit.
Ein Sokrates der DDR, ein Lehrer, der nicht große Werke schrieb, sondern lieber mit den »kleinen Leuten« stritt. Einer, dem die Wahrheit des anderen wichtiger war als sein eigenes Besserwissen. Strützel war den sozialen Wirklichkeiten auf der Spur, die er von unten zu erkunden versuchte.
Sein Wirken war auf die Frage gerichtet, wie »kapitalbeherrschte Klassen zu selbstbestimmter Aktion« finden könnten und wie die gemeinsam mit jenen gelingen kann, die ein Interesse an gesellschaftlicher Veränderung haben. In dieser Haltung sah er sich durch die kollektive Lektüre von Peter Weiss’ Roman »Die Ästhetik des Widerstands« Mitte der 1980er Jahre bestärkt.
Als stellvertretender Vorsitzender der PDS Thüringen machte er sich daran, nach 1990 eine neue Partei »von unten« zu formen und den »Ring um die PDS« zu sprengen. Er begann damit, die Partei zu einem legitimen und demokratischen Akteur des gesellschaftlichen Lebens zu machen, und trieb ein »linkes Reformprojekt« für Thüringen voran. Die Debatten darüber Mitte der 1990er Jahre nahmen vieles von dem vorweg, was 20 Jahre später in der ersten rot-rot-grünen Landesregierung sichtbar und Realität wurde.