Elektronische Überwachung gefährlicher Täter
und Umgang mit besorgten Bürgern
Seit dem 1. Januar 2011 ist die elektronische Aufenthaltsüberwachung von als gefährlich eingeschätzten Entlassenen aus dem Strafvollzug bundesweit als Weisung im Katalog der Führungsaufsicht nach § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 12 StGB zulässig. Diese im Zuge der Reformierung der Sicherungsverwahrung gesetzlich geschaffene Möglichkeit schränkt die Bewegungsfreiheit der überwachten Person im Rahmen bestimmter „Gebots-„ und „Verbotszonen“ ein.
Durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Bundesverfassungsgerichts wurde dem rechtswidrig gewordenen Zustand einstweilen mit der Entlassung von Sicherungsverwahrten abgeholfen. In vielen Fällen war die unmittelbare Reaktion darauf die Einrichtung von Dauerobservationen durch Polizei und Intensivbegleitung durch die ambulanten Sozialen Dienste der Justiz. Die Antwort des Gesetzgebers bestand in der Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und der begleitenden Regelungen, wozu auch die Anordnung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung gehört.
Der Umgang mit gefährlich eingeschätzten Straftätern gehört schon seit Langem zur Praxis der ambulanten Sozialen Dienste der Justiz, fand aber bis dahin keine große öffentliche Aufmerksamkeit. Es handelt sich dabei um den Umgang mit Probanden der Führungsaufsicht, Entlassenen aus den Forensischen Psychiatrien, Sexualstraftätern und um in die Einbindung in landesweite Überwachungsprogramme (HEADS, KURS etc.).
Die Beiträge in diesem Buch befassen sich mit den Fragen der Menschenwürde, des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, der persönlichen Freiheit, der Berufsfreiheit, des Bestimmtheitsgrundsatzes, des Rechtsstaatsprinzips und des Gebots zur Resozialisierung. Sie erstrecken sich auf juristische und kriminologische Aspekte des Problems, aber auch auf praktische Fragen des öffentlichen Umgangs und der sozialarbeiterischen Bewältigung.
Das neue Instrumentarium, „die elektronische Aufenthaltsüberwachung“, wird aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Einerseits werden die Motive des (Bundes)gesetzgebers, die Erfahrungen mit der seit Jahren existierenden hessischen „Elektronischen Fußfessel“, mit den Gerichtlichen Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht und die kritische Auseinandersetzung von Wissenschaftlern behandelt.
Die besondere Situation in der Kleinstadt Marburg wird ebenso beschrieben, wobei auch auf den Umgang mit besorgten Bürgern, die als Nachbarn auf den Zuzug von Entlassenen aus der Sicherungsverwahrung protestierten, eingegangen wird.
Schließlich beschreiben zwei Bewährungshelfer/innen Ihre Erfahrungen im Umgang mit Probanden, die als gefährlich bezeichnet werden. Die eine beschreibt, wie notwendig es ist, intensiv und nah an der Person stehend zu betreuen und. dabei auch Alltagsfragen zu behandeln, oder sie zumindest als Zugangsthema zu nutzen. Der andere kommt zu dem Resümee, dass viele Voraussagen der mangelnden Integrationsbereitschaft einfach nicht zutreffen, sondern scheinbar vielmehr durch das „Binnenklima“ im Strafvollzug geprägt werden.