Emil Fuchs: Das Evangelium nach Johannes
Eine Auslegung des Evangeliums im Kontext von Verfolgung und Widerstand (1939–41)
Claus Bernet, Klaus Fuchs-Kittowski
Das Johannes-Evangelium ist heute noch allgemein bekannt, wegen seiner einprägsamen Gleichnisse und sicher auch wegen seiner Thematisierung in Goethes Faust I.: „Am Anfang war das Wort“. Dieser Evangeliumstext wurde von dem Theologen Emil Fuchs zwischen 1939 und 1941 übersetzt, neu interpretiert und mit einer Vorrede zu den Begriffen Logos und Sophia versehen. Diese mystische Gedankenwelt machte Fuchs zum Hauptpunkt seiner eigenen Exegese; sie orientiert sich einerseits an den drei Mystikern Meister Eckhart, Johannes von Ruysbroek und Jakob Böhme, andererseits bietet sie eine fruchtbare Auseinandersetzung mit den Ansichten zeitgenössischer Wissenschaftler, wie Walter Bauer, Paul Deussen, Leopold Ziegler, Gustav Mensching, Rudolf Bultmann, Karl Barth u.a. In der Exegese nimmt der Verfasser zu entscheidenden Themen Stellung: die Frage nach dem Bösen in der Welt, die Problematik des subjektiven Erlebens gegenüber „objektiver“ Glaubenswahrheit, der Inhalt und die Grenze des Toleranzbegriffes, schließlich der Punkt des Dogmas. Ungewöhnlich ist aber nicht die Thematisierung dieser und anderer Fragen, sondern die eigenständigen, neue Perspektiven aufzeigenden Antworten, die hier gegeben wurden und erst jetzt, 70 Jahre nach Niederschrift, an die Öffentlichkeit gelangen. Entgegen der in den 1920er und 1930er Jahren pseudowissenschaftlichen Diffamierung der Juden bezieht Emil Fuchs in dieser Exegese eine positive Stellung für die Juden: Das „Heil kommt von den Juden“ – Emil Fuchs begründet seine Stellungnahme für die Juden theologisch zwei Generationen vor Exegeten wie Reimund Bieringer, Rudolf Pesch oder Raimo Hakola. Den Grund für Missstände, Gewalt und Krieg – kurz den Grund für die nationalsozialistische Katastrophe – sieht Fuchs nicht allein im Versagen der Eliten, sondern es kommt eine allgemeine Verantwortung der Christenheit, eine allgemeine Verantwortung jedes Christen hinzu. Es ist Entscheidungszeit (1939!), um dieser Katastrophe zu entgehen. Der Leser war damals und ist heute vor die Frage gestellt, ob er einer korrumpierten Kirche und einer entmenschlichten Herrschaft in den Untergang folgen will, oder eine Haltung einnehmen kann, die Dorothee Sölle später als „Mystik und Widerstand“ charakterisieren sollte. Fuchs hat in dieser Entscheidung klar Position bezogen; das Ergebnis seines Warnens, aber auch Ermutigens hält der Leser jetzt in den Händen.