Eruditio und Pietas
Die Lebensbilder des Nürnberger Propstes Anton Kress (1478-1513)
Michael Diefenbacher, Julia Halbleib
Nach dem unerwarteten Tod des St. Lorenzer Propstes Anton Kress im Alter von nur 35 Jahren wird sein Leben Gegenstand mehrerer literarischer darstellungen. Noch im Todesjahr des Prälaten entsteht das Epicedion Antonii Cressi (1513) aus der Feder des damalgien Rektors der Pfarrschule von St. Lorenz, Johannes Cochläus. Im Anhang dieses Epicedions findet sich als Begleichtgedicht eine Elegie des mit Cochläus befreundeten Bededictus Chelidonius, die den Titel In mortem Antonii Cressi elegia (um 1513) trägt. Zwei Jahre nach dem Tod des Propstes verfasst der Nürnberger Ratskonsulent christoph Scheurl die Vita Anthonii Kressen (1515), eine ausführliche Lebensbeschreibung des Verstorbenen in antiker Manier. Die vorliegende Studie umfasst die Edition und Untersuchung dieser meinst unbekannten lateinischen Lebensdarstellungen samt ihrer frühneuhochdetuschen Übersetzungen. Vor dem Hintergrund moderner Forschungen zur Entstehung des individualistischen Menschenbildes stellt sie in erster Linie die Frage nach der Faktur der literarischen Lebensbilder und dem Verhältnis von Typik und Individualität. Aufschluss in dieser Sache liefern vor allem die Analyse intertextueller Bezüge sowie der Vergleich der Textaussagen mit historischen Quellen zur Person des jung verstorbenen Propstes. Neben der Untersuchung der Gattungstradition und der kommunikativen Leitung der einzelnen Texte wird das persönliche Umfeld Kressens wie das seiner Biographen in den Fokus der Studie gerückt.