Etwas zwischen Menschen
40 kleine Geschichten um Nähe und subtile Erotik
Werner Albert Lucas
Gibt es etwas zwischen Menschen, eine diffuse Suche nach Ergänzung, nach Gemeinsamkeit? Ein angeborenes Sehnen nach Nähe und Schutz, wie wir es bei Kleinkindern beobachten? Einen vielleicht genetisch bedingten Trieb, der nach Einheit strebt, auch nach sinnlichem Verschmelzen zweier Menschen? Eine Kraft, die stark genug ist sich über Tabus und erstarrte Regeln hinwegzusetzen?
Dem Neuen wohnt oft ein besonderer Zauber inne: ein tiefer Blick, ein erfüllendes Gespräch, ein der Konvention geschuldeter Händedruck, der Hauch einer Berührung oder gar eine Umarmung. Auch ohne Worte kann sich zwischen Menschen Unerwartetes ereignen, ein Vibrieren, ein Prickeln, ein Hauch subtiler Erotik. Etwas, das sich der Kontrolle des Verstandes entzieht, das sich aus der Tiefe des Unbewussten entwickelt, das Hoffnung weckt nach Harmonie und Nähe. Ist dieses Sehnen nach Gleichklang nicht in uns angelegt?
Was aber, wenn Konventionen und über die Jahrhunderte erstarrte Moralvorstellungen dieses elementare Streben zu unterdrücken suchen? Wenn die Umgebung argwöhnisch darüber wacht, dass Normen nicht überschritten werden? Wenn engstirnige Erziehung sich auf die Vermittlung von Verboten fokussiert? Wenn Religionen sich dazu aufschwingen, natürliches Streben nach Nähe als Sünde zu bezeichnen oder gar mit Strafe zu belegen? Wenn traumatische Ereignisse in der Vergangenheit den einzelnen Menschen prägen? Wenn Ablehnung und Zurückweisung das Streben nach Nähe verkümmern lassen?
Geht das natürliche Sehnen nach Gemeinsamkeit endgültig verloren oder wird es nur in die Tiefe des Unbewussten versenkt? Verbannt ein unerbittliches Schicksal gerade sensible Menschen oft in die Einsamkeit? Oder ist manchem die Unfähigkeit Beziehungen einzugehen in die Wiege gelegt? Lassen sich die Mauern der Resignation überwinden, vielleicht durch die bedingungslose Hingabe an den Augenblick?
Um diese und andere Gedanken kreisen die hier gesammelten 40 kleinen Geschichten von menschlichen Begegnungen in verschiedenen Regionen, Situationen und Zeiten. Sie wollen beglückende Augenblicke zwischen Menschen festhalten, aber auch Missverständnisse und Irritationen nicht außer acht lassen, eben dem geheimnisvollen Schwebezustand menschlichen Sehnens nachspüren. Dabei möchten sie unterhalten und zuweilen zum Nachdenken anregen.