„Failed States“.
Die normative Erfassung gescheiterter Staaten.
Robin Geiß
Ziel der Arbeit war es, das Phänomen der gescheiterten Staaten, der so genannten Failed States einer völkerrechtlichen Gesamtbetrachtung zu unterziehen. Ausgehend von dem völkerrechtlichen Staatsbegriff, mussten hierzu im ersten Teil der Arbeit zunächst die Definitionsmerkmale sowie die Rechtspersönlichkeit des gescheiterten Staates untersucht werden, bevor in einem zweiten Teil die Rechtsfolgenseite sowie potentielle Reaktionsmöglichkeiten im Umgang mit Failed States erörtert werden konnten.
Als Parameter für eine völkerrechtliche Definition ließ sich über die Abwesenheit einer effektiven Staatsgewalt hinaus auch die Paralyse der Ausübung des inneren Selbstbestimmungsrechtes identifizieren. Erst wenn beide Merkmale kumulativ vorliegen, ist zu erwarten, dass ein Staat dauerhaft zur eigenständigen Reorganisation sowie zur Erfüllung seiner internationalen Verpflichtungen außerstande sein wird. Insbesondere Menschenrechtsschutzverträge entfalten unter diesen Umständen keinerlei Schutzwirkung, zumal sich Tendenzen einer Ausdehnung der menschenrechtlichen Verpflichtungen auf nichtstaatliche Akteure, wie sie im Failed State allein aktiv sind, gegenwärtig allenfalls de lege ferenda abzeichnen. Auch im Bereich des humanitären Völkerrechts findet allein der in dem gemeinsamen Artikel 3 der vier Genfer Konventionen enthaltene absolute humanitäre Minimumstandard Anwendung, wohingegen trotz erkennbaren failed state-spezifischen Implikationen die detaillierteren Vorschriften des Zweiten Zusatzprotokolls keine Schutzwirkung entfalten. Schließlich ließ sich auch eine Staatenverantwortlichkeit, entgegen verschiedenen, vor allem auf Artikel 9 des ILC Entwurfes basierenden Ansätzen in der Literatur, nicht begründen.
Im Lichte der Prinzipienkollision von Effektivitäts- und Kontinuitätsprinzip ließ sich die fortbestehende Rechtssubjektivität gescheiterter Staaten auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechtes als materiellem Kontinuitätskriterium herleiten. Ausgehend von der so begründeten souveränen Staatlichkeit auch gescheiterter Staaten, war allen Versuchen einer failed state-spezifischen Ausweitung der unilateralen Interventionsmöglichkeiten eine Absage zu erteilen. Die Untersuchung hat jedoch ergeben, dass auf Grundlage der definitorischen Charakteristika des Failed State die Einstufung des Phänomens als relevante Friedensbedrohung im Sinne von Artikel 39 der Charta im zulässigen Ermessenspielraum des Sicherheitsrates liegt.