Geschichte und kommunistische Gegenwart
Historiosophische Positionen und ihre narrative Präsentation in Essay und Roman der Volksrepublik Polen. Mit einem Anhang: Jan Kott, ‚Über laizstische Tragik‘
Christoph Garstka, Jan Kott
Der Kern nationaler Identität ist im Wesentlichen in den kollektiven Erzählungen einer Gemeinschaft zu finden. Die Polen gelten als ein geschichtsbesessenes Volk. Die vorliegende Studie will diesem gängigen Klischee nachgehen. Welche „großen Erzählungen“ ihrer Geschichte sind in Roman und Essay in der Volksrepublik Polen gestaltet worden?
Die Analyse offenbart erstaunliche Gemeinsamkeiten zwischen systemkonformen Konfigurationen der Historie im Sinne des historischen Materialismus und solchen, die eigentlich als „Gegenerzählungen“ einer auf romantischen Traditionen aufbauenden Schreibweise oppositioneller Autoren konzipiert sind. Als tatsächliche Opposition, so die Hauptthese der Untersuchung, erweisen sich vor diesem Hintergrund jene Werke, die die Möglichkeit von Sinnstiftungen in narrativen Rekonstruktionen von Historie problematisieren oder sogar ganz ablehnen und im Sinne von Witold Gombrowicz versuchen sich der „Form zu entziehen und über Polen emporzuschwingen“.