Glaube und Aberglaube
Wie aus Religion und Superstition ein Gegensatz wurde
Rudolph Kremer
Religion und Superstition – ein Gegensatz, der dem Glauben den „Aberglauben“ gegenüberstellt und heute als solcher allzu selbstverständlich erscheint. Doch wo liegen die Ursprünge dieser begrifflichen Antinomie? Und was bedeuten eigentlich die lateinischen Vokabeln religio und superstitio genau? Diese Fragen führen zurück ins Rom des ersten Jahrhunderts vor Christus, eine bewegte Zeit, in der die Römische Republik von inneren Missständen, existenziellen Krisen und Bürgerkriegen erschüttert wurde und eine allgemeine Weltuntergangsstimmung von den Menschen Besitz ergriff. Ursprünglich waren religio und superstitio gar keine Gegensätze, sondern traten erst in der explosiven Atmosphäre der ausgehenden Republik als solche hervor – mit der Scheidung von „richtigen“ und „falschen“ Glaubensvorstellungen hatten sie dabei nur wenig zu tun. Rudolph Kremer betrachtet systematisch alle soziokulturellen und kultischen Phänomene, die als superstitio von religio abgegrenzt werden. Damit gewährt er vielseitige Einblicke in das religiöse Denken, Empfinden und Handeln der Menschen des einfachen Volkes und der geistig-politischen Führungselite in einer subjektiv empfundenen Endzeit und erklärt, wie es zu dem Gegensatzkonzept von Religion und Superstition gekommen ist.