Glückselig und unsterblich
Epikureische Theologie bei Cicero und Philodem
Holger Essler
‚So haben die epikureischen Götter einen wohltuenden Einfluss auf die Menschen. Indem sie wie alle Gegenstände Bilder aussenden, erlauben sie den Menschen, die Anschauung des glückseligen Lebens zu bilden und damit ein Ideal vor dem geistigen Auge zu haben, dem die Weisen sich annähern.‘
Seit der Antike sind die Epikureer mit Angriffen auf ihre Götterlehre konfrontiert worden. Die Vorwürfe reichen von Atheismus bis Absurdität. Hauptargument ist die Unmöglichkeit der Existenz der Götter im atomistischen Weltbild: Die epikureische Vorstellung von Gott als einem unvergänglichen und glückseligen Lebewesen scheint mit den Gesetzen der epikureischen Physik, wonach alles aus Atomen besteht und alle Atomverbindungen auflösbar sind, nicht vereinbar. Eine eindeutige Antwort der Epikureer ist nicht erhalten. Zur Auflösung des Gegensatzes kann man auf beiden Seiten ansetzen. Entweder nimmt man für die Götter eine besondere, unvergängliche Körperlichkeit als Ausnahme in der epikureischen Physik an oder erklärt sie zum blossen Begriff, zur Gedankenprojektion, die als solche nicht unter physikalische Gesetze fiele. Eine zentrale Rolle kommt dabei dem Begriff, den man sich von den Göttern macht, der Götterprolepse, zu, der aus allen Richtungen beleuchtet wird: Cicero und Diogenes Laertius beschreiben Funktion der Prolepse, Lukrez und Hermarch die Begriffsbildung. Philodem gibt dafür die theoretische Grundlage und erklärt, wie falsche Götterbegriffe entstehen. Zusammengenommen weisen die Quellen auf einen externen Ursprung des Begriffs, auf Götter aus speziellen Atomen. Die Zeugnisse über die epikureische Lehre von Prolepse und Göttern sprechen alle gegen die Annahme von Gedankenkonstrukten.