Goldfinsternis
Leon Stauffer
»Es ist wie heute Mittag bei der Sonnenfinsternis«, rief er erregt mit einer Geste zum Himmel, »als das Zwielicht über
uns hinweghuschte und eine Schattenschneise durch das Salzkammergut zog. Eigentlich ein Ereignis, dem man wissenschaftlich problemlos beikommen kann und dem doch etwas Unheimliches, die Menschen Ergreifendes anhaftet. Genauso verhält es sich mit dem Woher und Wohin des Nazigolds. Will man ihm auf die Spur kommen, begibt man sich auf den Pfad der Finsternis.«
Samy Hershfield hob den erloschenen Stummel seiner Davidoff hoch und warf ihn mit einer verächtlichen Bewegung aus dem Wagen.
»Am Gold der Nazis klebt Blut. Buchstäblich.« Er machte eine kurze Pause, als fi ele es ihm schwer, weiterzureden.
»Sie haben das Gold, das sie den ermordeten Juden abgenommen oder aus den Zähnen gebrochen haben, für die Fortsetzung ihres Krieges und damit der Vernichtungsmaschinerie verwendet. Es ist kein Gold im herkömmlichen Sinn. Es ist Gold, dem jeder Glanz abhandengekommen ist, das sich verfi nsterte wie die Sonne heute am Himmel. Ein Spuk, eine infernalische Goldfinsternis.«
Elf Tage im August 1999. Spurlos wie es sich für eine gelungene Unterschlagung gehört sind Millionen aus dem Etat eines Berliner Immobilienkonzerns verschwunden. Philipp Blocher, Finanzchef des Unternehmens, steht unter Druck, ihren Verbleib aufzuklären, als auf dem Invalidenfriedhof sein schärfster Rivale erschlagen aufgefunden wird. Blocher gerät ins Visier der Mordkommission, weil er für die Tatzeit kein Alibi hat. Er verlässt die Stadt und sucht den Vater des Opfers auf, der den Mord mit einem bei Kriegsende versteckten Goldtransport in Verbindung bringt. Blocher geht der Sache nach und sieht sich nach weiteren mysteriösen Morden selbst in tödlicher Gefahr. Er begegnet Isabel, der rätselhaften Muse eines türkischen Milliardärs und Mäzens und stößt auf ein Netz aus Geheimdiensten, Geldwäsche und Drogenhandel, das mit dem verschwundenen Nazigold finanziert wurde. Die Spur führt von Berlin über Salzburg und Südfrankreich nach Istanbul, wo Blocher auf den Mörder trifft und zu spät bemerkt, dass er zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Eine Odyssee, die seinem gewohnten Dasein mit all den bis dahin geglaubten Wahrheiten den Boden entzieht.