„Hellenisten“ in der Apostelgeschichte
Historische und exegetische Untersuchungen zu Apg 6,1; 9,29; 11,20
Michael Zugmann
Die Apostelgeschichte bezeichnet drei Gruppen als „Hellenisten“: eine Gruppe der Urgemeinde (6,1), jüdische Gegner des Paulus (9,29) und heidnische Adressaten der frühchristlichen Missionspredigt (11,20). Gemeinsam ist diesen Gruppen die gemeinsame griechische Sprache: Die Analyse des Verbs hellenizein zeigt, dass hellenistes griechischsprachige Nichtgriechen kennzeichnete. Diese waren in der Antike ein verbreitetes Kulturphänomen, wie Beispiele aus Rom, Syrien und Ägypten zeigen, die das hinter Apg 11,20 liegende Milieu illustrieren. Auch unter den Juden der Diaspora und Palästinas gab es viele Griechischsprachige; Michael Zugmann bietet dafür zahlreiche epigraphische und literarische Belege und bespricht sie ausführlich. Unter den jüdischen „Hellenisten“ Jerusalems (9,29) spielten Rückwanderer aus der Diaspora eine besondere Rolle, die wegen ihrer Affinität zu Tempel und Tora hierher gekommen waren. Einige wurden durch die Missionspredigt der Urgemeinde zu Jesusanhängern. Am Konflikt um Stephanus lässt sich das theologische Profil dieser judenchristlichen „Hellenisten“ (6,1-15) nachzeichnen. Ihre implizite Tempelkritik (6,11.13f) bestand darin, dass sie den Heilstod Jesu in den Mittelpunkt rückten. Röm 3,25f stellt Jesu Tod mit der kultischen Metapher hilasterion als endzeitlichen Versöhnungstag dar, und die von den judenchristlichen „Hellenisten“ überlieferte Form des Tempelwortes Jesu (Mk 14,58) deutet mit dem Gegensatzpaar des handgemachten und nicht handgemachten Tempels an, dass der Jerusalemer Tempel(kult) durch Jesu Kreuzestod endzeitlich überboten wurde.