Herodians Darstellung der Kaisergeschichte nach Marc Aurel
Thomas Hidber
Nachdem die historische Forschung in den letzten Jahren nachgewiesen hat, dass Herodians Geschichtswerk mangels eigenständiger oder verlässlicher Informationen als Quelle für die historische Rekonstruktion der Ereignisgeschichte der dargestellten Zeit (180-238 n.Chr.) weitgehend ausscheiden muss, stellt sich um so dringender die Frage nach der literarischen Form und nach den Darstellungszielen dieses oft als ‚historischer Roman’bezeichneten Werkes. Hidber geht diese Frage von verschiedenen Seiten an. Ein Blick auf die Rezeptionsgeschichte macht zunächst deutlich, unter welch unterschiedlichen Prämissen das Werk seit der Spätantike zuerst als Informationsquelle und Stilmuster, dann als Fürstenspiegel und schliesslich als zweitklassiges rhetorisches Machwerk gelesen bzw. benutzt wurde. Eine Analyse des Proömiums zeigt anschliessend, dass dem Leser eine auf die jeweiligen Herrscher fokusierte Darstellung der Zeitgeschichte seit Marc Aurel angekündigt wird, als deren wichtigste Charakteristika die Häufung der Herrscherwechsel und das Phänomen der Erhebung ganz junger Kaiser herausgehoben werden. Das dritte Kapitel untersucht sodann aus narratologischer Perspektive Aufbau und Gliederung des Werkes und stellt die zentrale Bedeutung der Machtwechselgeschichten heraus, durch deren Verkettung ein insgesamt sehr dynamisches Bild der Zeitgeschichte entsteht. Abschliessend werden die der Darstellung zugrunde gelegten Qualitätskriterien (Paideia, Lebenserfahrung, Herrschertugenden) erläutert, anhand derer das Scheitern so vieler Herrscher in so kurzer Zeit verständlich gemacht wird.