„Hilflos steht man vor all dem Grauen“
Tagebücher aus der Kriegs- und Nachkriegszeit 1943–1948
Ralf Blank
Der Zweite Weltkrieg und die nationalsozialistische Herrschaft sind zentrale Ankerpunkte in der gesamtdeutschen Erinnerungskultur. Sie werden regelmäßig anlässlich von Gedenktagen aktiviert, teilweise in ritualisierten Veranstaltungen, vermehrt aber auch in kritisch reflektierenden musealen Ausstellungen, in Medienberichten, Dokumentationen und Publikationen. Die Zahl der Zeitzeugen, die über viele Jahre als verlässliche Vermittler zwischen gestern und heute galten, nimmt stetig ab. Durch persönliche Erfahrungen tradierte und auf diesem Weg an nachgeborene Generationen überlieferte Geschichte verliert dadurch ihre Rezeptoren. Die Geschichte des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs erfährt gegenwärtig eine Phase der Historisierung. Die Rolle der Zeitzeugen, deren Wahrnehmung aus quellenkritischen Gründen ohnehin hinterfragt werden muss, nehmen vermehrt zeitgenössische Aufzeichnungen wie Briefe, Notizen und Tagebücher ein. Sie sind in der Regel authentisch und ermöglichen oft einen nachprüfbaren Zugang zu historischen Ereignissen. Von amtlichen Stellen geführte Tagebücher, wie das in diesem Band vorgelegte Kriegstagebuch der Luftschutzleitung Hagen, und private Aufzeichnungen, beispielsweise das ebenfalls hier edierte Tagebuch des Hagener Bürgers Richard Römer, bilden erstrangige Quellen für die Stadt- und Regionalgeschichte. Im Vergleich und in der Gegenüberstellung dokumentieren sie einersetis die Erfahrungen ihrer Urheber, die im Fall des Kriegstagebuchs versuchten, eine dienstliche Professionalität zu bewahren. Auf der anderen Seite spiegel vor allem private Tagebücher die Gedankenwelt, die Ängste und die Verzweiflung der Menschen angesichts von Krieg und Gewalt wider. Diese nicht nur zwischen den Zeilen spürbare emotionale Ebene gehört ebenfalls zur Geschichtsschreibung.