Ich hatte einen Bruder
Kriegsenkelbiografien: Warum es sich lohnt, hinzuchauen
Anna Seydenfalter
Dass auch Anna zur Generation der Kriegsenkel gehört, wird ihr erst 2018 klar, als sie ein Buch zum Thema in die Hände bekommt. Mehr und mehr erkennt sie, wie sehr die Erfahrungen ihrer Eltern und Großeltern im Zweiten Weltkrieg auch Jahrzehnte später das Familienleben prägten. Eine zunächst scheinbar ’normale‘ Kindheit – doch die ‚heile Welt‘ bekommt sukzessive Risse. Dramatische Ereignisse im Leben ihres Bruders veranlassen Anna zurückzublicken. Dazu interviewt sie 2019 ihre Eltern zu deren Kindheit in den 30er- und 40er-Jahren und trägt ihre eigenen Erinnerungen und die ihres Bruders aus seinen letzten E-Mails und Telefonaten zusammen.
Im ersten Teil des Buches wird die Familienbiografie über drei Generationen erzählt. Im zweiten Teil reflektiert Anna als junge Erwachsene mehr und mehr die Familiensituation und ihre eigene Rolle im Leben. Sie erkennt, dass auch in ihrer Familie Traumata transgenerational weitergegeben wurden. Im dritten Teil geht es um ein tieferes Verständnis und um Heilung. Die fachliche Perspektive und Bewältigungsmöglichkeiten bekommen mehr Raum. Ein erzählendes Sachbuch – authentisch aus der Perspektive einer Kriegsenkelin und Diplom-Psychologin geschildert.