Identität & Gedächtnis
Denkmäler und politische Architektur von 1800 bis zur Gegenwart
Norbert Borrmann
In Deutschland – und auch Österreich – entstand in den letzten zwei Jahrhunderten eine besonders reichhaltige politische Architektur: Die Napoleonischen Befreiungskriege, die Reichsgründung, das Dritte Reich, die Totenheere des Ersten und Zweiten Weltkriegs, die deutsche Teilung und die Wiedervereinigung haben eine Unmenge von politischer Architektur nach sich gezogen, die der Autor anhand ausgewählter Beispiele reich bebildert dokumentiert.
Als Belege für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg werden unter anderem das Brandenburger Tor, die Denkmäler der Befreiungs- und Einigungskriege, der Reichstag und mit Blick auf das Habsburgerreich der Bau der Ringstraße angeführt. Nach dem Ersten Weltkrieg nimmt der Autor neben den Gedenkstätten für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges auch andere Bauten in den Blick, die ideologischen Vorgaben folgten; wie jene der „Bauhaus“-Bewegung oder das Symbol des „Roten Wiens“, der Karl-Marx-Hof. Ein Sonderkapitel stellt die Zeit des Nationalsozialismus dar, in dem der Architektur die Rolle „gebauter Weltanschauung“ zugewiesen wurde. Als Exempel hierfür werden u. a. die Neue Reichskanzlei, das Weimarer Gauforum oder die Pläne für die „Welthauptstadt Germania“ angeführt.
Im Hinblick auf das Totengedenken schlägt Borrmann einen Bogen vom Völkerschlachtdenkmal in Leipzig über die Gedenkstätten, die nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland und Österreich entstanden – hier wird dem Tannenberg-Denkmal, das im Januar 1945 gesprengt wurde, ein eigenes Kapitel gewidmet – und dem Marine-Ehrenmal in Laboe bis hin zu den sowjetischen Ehrenmalen, die nach 1945 etwa in Berlin und Wien errichtet wurden sowie den Gedenkstätten für die NS-Opfer.
Nach dem Zweiten Weltkrieg fand eine weitgehende Abkehr von der seit 1800 errichteten Bedeutungsarchitektur statt. Das betraf nicht nur die politische Architektur des Dritten Reiches, sondern auch jene der Wilhelminischen Ära und selbst die der Weimarer Republik.
Der Herabsetzung der politischen Architektur von gestern entspricht die Tendenz der politischen Architektur von heute, deren politische Aussage eine komplett andere geworden ist. Das zeigt der Autor unter anderem anhand des Kanzlerbungalows und des Abgeordnetenhauses in Bonn, dem „Langen Eugen“, sowie der „demokratischen Kuppel“ auf dem Reichstagsgebäude in Berlin.
Es gibt zu dieser Entwicklung aber auch eine Gegenbewegung, die sich der Rekonstruktion der bedeutenden historischen Bauten widmet, wie etwa der Dresdner Frauenkirche und des Berliner Stadtschlosses.