Im Inneren der Haut
Das Leben des Fußballspielers Matthias Sindelar
Wolfgang Weisgram
Matthias Sindelar, der 1903 als Matej Sindelá in Kozlov bei Jihlava zur Welt gekommen war, ist Österreichs legendärster Fußballspieler. In ihm verkörperte sich die Wiener Schule, die im Wunderteam der frühen 1930er-Jahre ihre wunderbare Gestalt gefunden hat. Matthias Sindelar zog nicht nur Fußballfans in seinen Bann. Der „Papierene“, so wurde er seiner fast körperlosen Spielweise wegen genannt, überzeugte auch feinsinnige Ästheten davon, dass Fußball eine künstlerische Ausdrucksweise sein kann. Sein rätselhafter Tod ein knappes Jahr nach dem Anschluss machte ihn darüber hinaus zu einer Symbolfigur des Widerstandes. Alfred Polgar schrieb im Pariser Exil einen hymnischen Nachruf, Friedrich Torberg seine berührend naive Ballade vom Tod eines Fußballspielers:
Er war ein Kind aus Favoriten
und hieß Matthias Sindelar.
Er stand auf grünem Plan inmitten,
weil er ein Mittelstürmer war.
Er spielte Fußball, und er wusste
vom Leben außerdem nicht viel,
er lebte, weil er leben musste
vom Fußballspiel fürs Fußballspiel.
Dieser biographischer Roman zeichnet Sindelars Leben nach, das sich sozusagen mit Haut und Haaren dem Innerdem des Fußballs verschrieben hat. Die Zeit und ihre Zudringlichkeit vom Wiener Nachkriegselend bis zur europäischen Zwischenkriegsidiotie hat aber das beinahe eremitische Leben unmöglich gemacht. Während Sindelar und seine Mitspieler den Fußball zu einer Kunstform verfeinerten, explodierte das Außerdem zur Tragödie. Und Sindelars erster Versuch, aus der Innenwelt des Balles in die Normalität eines x-beliebigen Lebens zu entkommen, scheiterte fulminant. Seine Existenz als Kaffeesieder lag im Schatten der Arisierung, sein erster Versuch, das Leben mit einer Frau zu teilen, endete mit dem Tod, der rätselhaft genug war, um seinerseits ein Symbol zu werden und so das Symbol Sindelar Österreichs erster Österreicher zu einer bis heute gültigen Form abzurunden.