Inhaltskontrolle von Eheverträgen
Eine kritische Auseinadersetzung mit der Kernbereichslehre des BGH
Elke Wiemer
Der BGH hat im Urteil vom 11.2.2004 seine Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Eheverträgen völlig neu entworfen. Zentrales Konstrukt hierbei ist die so genannte „Kernbereichslehre“, die eine abstrakte Gewichtung der Scheidungsfolgenansprüche vornimmt.
Die neue Rechtsprechung stellt die ehevertragliche Beratungspraxis vor erhebliche Probleme: Rechtssicherheit konnte durch die Kernbereichslehre, die mit vagen Kriterien und inkohärenten Begründungen hantiert, bislang nicht erreicht werden – ständige Nachkorrekturen des BGH sind die Folge.
Der Autor leistet eine eingehende Auseinandersetzung mit der neuen höchstrichterlichen Ehevertragsrechtsprechung, analysiert ihre dogmatischen Grundlagen, ihre Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Er weist Widersprüche nach und zeigt Lösungsmöglichkeiten auf. Besondere Beachtung kommt dabei den Prämissen und Kriterien der Kernbereichslehre zu. Ausgehend von den dogmatischen Grundlagen ehevertraglicher Inhaltskontrolle wird als zentrales Dispositionskriterium die zumutbare Belastung mit ehebedingten Nachteilen herausgearbeitet; dieses Kriterium macht die Kernbereichslehre insgesamt überflüssig. Berücksichtigt wird auch das bislang weitgehend unbeachtete, aber praktisch sehr bedeutsame Problem des Pflichtteilsverzichts, der im Zusammenhang mit einem Ehevertrag vereinbart wird.
Ein Schwerpunkt liegt in der eingehenden Analyse der Kontrollinstrumente der §§ 138 I, 242 BGB vor dem Hintergrund der BGH-Rechtsprechung. Daneben geht es um die Lösung ganz praktischer Probleme, z.B.: Welche konkreten Umstände veranlassen den BGH zur Vertragskontrolle? Wann liegt ein ehebedingter Nachteil vor und wie lässt er sich praktisch ermitteln? Nach wie vielen Jahren ehebedingter Erwerbsunterbrechung wird ein Partner durch einen ehevertraglichen Verzicht unzumutbar belastet? Kann die Nichtigkeitssanktion der Wirksamkeitskontrolle auf einen Teil des Vertrages beschränkt werden oder ist stets Gesamtnichtigkeit anzunehmen? Welche Bedeutung kommt dabei salvatorischen Klauseln und Ersetzungsklauseln zu? Welche Rechtsfolgen können im Rahmen der Ausübungskontrolle angeordnet werden? Welche Besonderheiten bestehen beim Abschluss von Scheidungsfolgenvereinbarungen? Oder auch: Sind die vom BGH zu den Eheverträgen entwickelten Kriterien auch auf Lebenspartnerschaftsverträge anzuwenden?