Johannes Brahms
Ikone der bürgerlichen Lebenswelt?
Wolfgang Sandberger, Stefan Weymar
Zum 175. Geburtstag von Johannes Brahms am 7. Mai 2008 eröffnete das Brahms-Institut an der Musikhochschule Lübeck seine neue Sonderausstellung „Johannes Brahms. Ikone der bürgerlichen Lebenswelt?“. Bis Ende August zeigte die Schau kostbare Exponate aus der Sammlung des Instituts. Im Mittelpunkt stand die Rekonstruktion von Brahms‘ Wiener Musikzimmer als Beispiel für ein bürgerliches Interieur im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die Ausstellung gab weiterhin Einblicke in die bürgerliche Musikkultur, ohne die das kompositorische Werk von Brahms kaum vorstellbar wäre. Als Komponist von Sinfonien und großformatigen Chorwerken sowie intimen Liedern und Kammermusikwerken kam er einem Publikum entgegen, das die repräsentative Geste der öffentlichen Musikfeste und Konzerte sowie den Rückzug ins Private des Salons gleichermaßen schätzte. Mit zahlreichen Bearbeitungen eigener und fremder Werke für Klavier, dem Hausmusik-Instrument par excellence, entsprach Brahms dem bürgerlichen Bildungsbedürfnis seiner Zeit. Zahlreiche Fotografien, Zeichnungen und Porträtbüsten hielten das Konterfei der prominenten Wiener Musikerpersönlichkeit fest – meist Rauschebart, Zigarre und Querbinder. Im Zeitalter des Geniekults wurden zudem alltägliche Gebrauchsgegenstände der Künstler zu symbolträchtigen Erinnerungsstücken stilisiert, wie z. B. die am Todestag genommene Haarlocke von Brahms, seine Rauchutensilien oder die persönliche Brieftasche. Die Schau thematisierte freilich auch die Brüche dieser bürgerlichen Lebenswelt, daher das Fragezeichen im Titel.