Lebende Anatomie 2021
Ein Kalender zwischen Kunst und Wissenschaft
Sophie Valentin, Sten Hannes Voigtländer, Tom Wohlfarth
Einleitung des Autors
Kunst liegt im Auge des Betrachters, Wissenschaft nicht – und genau hier wird es spannend.
In der Wissenschaft wollen wir objektivieren, systematisieren und allem einen Namen geben. Ebenso in der Medizin: Vom Schamanen zum Chefarzt gab es eine Evolution in der Beschreibung von Krankheitsbildern und Heilmethoden. Hier wird analysiert, schematisiert und zusammengefasst. Doch in der Kunst bewahren wir uns das genaue Gegenteil: Wir individualisieren, erschaffen und lassen Platz für Interpretationen. Wirklich faszinierend wird es am Schnittpunkt beider Welten: In der Natur gibt es überall geometrische Formen, Größen und Farben, die man messen und skalieren kann. Doch der Mensch bleibt einzigartig – jeder ist auf seine Weise ein Unikat – das wissen nicht nur Ärzte und Physiotherapeuten. In der Natur gibt es zwar paarig angelegte Organe und Extremitäten, jedoch keine absolute Symmetrie. Mit krummer Wirbelsäule, schiefem Becken, platten Füßen und abstehenden Zehen ist der menschliche Körper lebende Wissenschaft und Kunst zugleich.
Bereits während meiner Physiotherapie-Ausbildung hatte ich die Idee, die Ästhetik in der menschlichen Anatomie darzustellen – fernab jener idealisierten schematischen Abbildung der Lehrbücher. Erst zehn Jahre später, am Ende meines Medizinstudiums, konnte ich nun dieses Projekt mit Hilfe des motivierten Medi-Sport-Leipzig-Teams und der Unterstützung des Institutes für Anatomie der Universität Leipzig realisieren. Alle abgebildeten Personen sind engagierte Medizinstudierende vom zweiten Semester bis hin zum Praktischen Jahr, die sich von meiner Idee begeistern ließen. Sie sind keine professionellen Models oder Leistungssportler. Ihr Alltag besteht aus Lernen, Feiern und Freizeitsport – sie sind ganz „normale“ Studentinnen und Studenten, die für den vorliegenden Kalender vor einer professionellen Kamera standen. Über 30 Personen waren monatelang an der Erstellung dieses einzigartigen Kalenders beteiligt. Hier hat sich einmal mehr gezeigt: Medizin ist Teamsport. Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Ingo Bechmann und dem Institut für Anatomie der Universität Leipzig für die sofortige Unterstützung und Supervision, dem Medizinstudierenden Tom Wohlfarth, sowie Dr. Elke Brylla für die Lektoratstätigkeit, der Fotografin M.A. Sophie Valentin für ihre künstlerische Umsetzung, dem Layouter Tom Wohlfarth für seine gestalterische Feinarbeit und den zahlreichen Medizinstudierenden für ihre Unterstützung als Models, Beschrifter und Korrektoren.
Ich wünsche allen Betrachtern viel Freude an diesem Kalender und verneige mich vor den Beteiligten, die den Mut bewiesen und diese Idee zu dem gemacht haben, was sie heute ist – eine Komposition zweier Welten. Hier ist uns der Brückenschlag zwischen Kunst und Wissenschaft gelungen: Bilder, die mit ihrer Ästhetik begeistern und gleichzeitig die Vielfältigkeit in der Anatomie beleuchten. Weniger Schema, mehr Mensch. Lebende Anatomie.
Sten Hannes Voigtländer
Medizinstudent, Physio- & Manualtherapeut