Leonardo Sciascia und die Polemik um «I professionisti dell’antimafia»
Die idealistischen Ängste eines Intellektuellen und ihre negativen Auswirkungen auf die Anti-Mafia-Bewegung
Ulrike Hollender
Seit Mitte der sechziger Jahre galt der sizilianische Autor Leonardo Sciascia (1921-1989) als der profilierteste Anti-Mafia-Schriftsteller Italiens. Doch dieses Bild begann sich zu trüben, nachdem sich Sciascia am 10. Januar 1987 in der Tageszeitung in seinem provokanten Essay gegen die modernen Methoden der staatlichen Mafia-Bekämpfung gewandt hatte, die ihm zum Selbstzweck zu verkommen schienen. So beschuldigte er den palermitanischen Bürgermeister Leoluca Orlando und den Richter Paolo Borsellino, mit ihrem Engagement gegen die Mafia allein populistisch ihre eigene Karriere befördern zu wollen. Die Studie zeichnet die landesweit in der Tagespresse sowie in historisch, soziologisch und politologisch orientierten Publikationen ausgetragene und bis heute polarisierende Debatte nach. Beleuchtet wird unter sozialpsychologischen und landeskundlichen Aspekten die nicht ungefährliche Position des italienischen Intellektuellen gegenüber Mafia und Anti-Mafia. Gleichzeitig liefert die rezeptionsgeschichtliche Arbeit Anhaltspunkte für eine Teil-Revidierung des bisherigen Sciascia-Bildes als eines überzeugten und unbestechlichen Mafia-Gegners.