Literatur als Ausdruck der Gesellschaft
Die Literaturtheorie des Vicomte de Bonald
Rainer-M. Lüddecke
Bonalds berühmtes Wort (1802) verweist nicht nur auf den engen Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Literatur, sondern ist gleichzeitig Ausdruck eines umfassenden Seinsmodells, das sich auf das Christentum und den mittelalterlichen ordo-Gedanken in Anlehnung an Augustinus stützt. Vor diesem Hintergrund wertet Bonald (1754-1840) die französische Klassik als Literatur der Ordnung während des Absolutismus Ludwigs XIV. und die durch die ‚atheistische‘ Aufklärungsphilosophie beeinflußte Gesellschaft und Literatur des 18. Jahrhunderts als Zeit der Unordnung, die ihren Höhepunkt in der Französischen Revolution erreicht. Das Ende der Revolution seit Napoléon zieht eine neue Ordnung der Gesellschaft nach sich, deren Ausdruck eine neuerliche Aszendenz der Literatur ist. So steht Bonald durch seine Schriften zur Literatur am Beginn der französischen Literatursoziologie.