Max & Consorten
Franz Wauschkuhn
Schwarzmarkt, Krüppel, Adenauer. „Im Sommer 45 gingen die wildesten Partys ab.“ Babette Coehn lacht. „Swingboys, KZ-Überlebende, blutjunge Offiziere. Wir fanden uns wieder in der halbzerbombten Villa an der Alster, tanzten, weinten, lachten, redeten und redeten.“ Doch sechs Jahre später herrscht ringsum eisiges Schweigen. „Sind wir Juden?“, fragt Max seine Mutter. „Wie man’s nimmt“, antwortet sie, reist nach Zürich, lässt ihre drei Söhne wieder mal allein. Max ist erfüllt von Sorge und Angst. Erlebnisse, die für einen Sechsjährigen völlig unbegreiflich sind, umgeben ihn wie ein Vorhang, hinter dem maßloser Schrecken lauert. Erst im Rückblick beginnt er, all das Ungeheuerliche, dessen Augenzeuge er wurde, zu durchschauen. Der Krieg der Bomben, Bunker und Sirenen war mit dem 8. Mai 1945 zu Ende. Aber der andere, der unsichtbare Krieg im Mikrokosmos der Gesellschaft, 1933 gegen alle Andersdenkenden eröffnet, setzt sich noch immer krebsartig fort. Denn die NS-Seilschaften in Justiz, Polizei, Medizin und Wirtschaft funktionieren nach wie vor bestens, als sei nichts geschehen. In Wyk auf der Insel Föhr erkennt Babette im Sommer 1951 ihren Todfeind wieder. Der protzende Dandy von heute ist ihr Gestapo-Verfolger von gestern. Jetzt lebt er nach dem Motto: Kaviar statt Hakenkreuz! Offen ist auch die Rechnung mit ihrem, ach so arischen Schwager. Was ist mit dem Vermögen, das Babette ihm anvertraut hat? Im jungen Bonner Staat stört es offenbar keinen, dass es die Gestapo war, die ihn ins Top-Management der Ambiance-Versicherung katapultiert hat. Babette beginnt ihren eigenen Krieg: gewitzt, brutal-subtil und – ja – voller weiblicher Lust an der Vergeltung. Im Land des Wirtschaftswunders wird der „Schwamm drüber“-Blues gespielt. Doch die bittere Vergangenheit bleibt täglich präsent. Babette kann nicht ruhen, bis den Tätern von damals das Handwerk gelegt ist.