Mediation und Vorverfahren.
Ein Beitrag zur Reform des verwaltungsgerichtlichen Vorverfahrens.
Stefan Vetter
Während im Zivilprozessrecht mit dem obligatorischen Schlichtungsverfahren (§ 15 EGZPO) die Idee des Vorverfahrens wieder an Bedeutung gewinnt, wird das Widerspruchsverfahren nach §§ 68ff. VwGO in den letzten Jahren von Rechtsprechung und Gesetzgebung zunehmend zurückgedrängt.
Stefan Vetter unterzieht diesen Prozess einer detaillierten Analyse. Er systematisiert die einzelnen Begründungsansätze und zeigt auf, dass überzeugende Gründe für den Abbau des Vorverfahrens nicht vorliegen. Der Abbau kommt vielmehr einer Demontage gleich. Der Autor wendet sich insbesondere gegen das Verständnis vom Widerspruchsverfahren als „Sachurteilsvoraussetzung“ und legt – erstmals in dieser Deutlichkeit – den Wertungswiderspruch der Rechtsprechung in Bezug auf das Vorverfahren nach § 80 Abs. 6 VwGO (Zugangsvoraussetzung) offen. Die Selbstkontrolle der Verwaltung verkommt insgesamt zur Selbstverteidigung.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines in der Praxis ineffektiven Widerspruchsverfahrens entwickelt Vetter ein Konzept zur Reform des – weiterhin notwendigen – Vorverfahrens. Er knüpft dabei an die Idee der Mediation an und skizziert das Grundgerüst eines obligatorischen mediativen Vorverfahrens. Das Konzept ist Ausdruck eines neuen Verwaltungsrechtsverständnisses und einer neuen Verwaltungskultur. Als Teil einer Konfliktinfrastruktur eröffnet es die Perspektive zu einem Vorverfahren als Bürgerverfahren. Die Verwaltung wird zum Konfliktpartner, und der Konflikt wird zur Chance. Neben der Stärkung der Eigenständigkeit der Verwaltung und der Entlastung der Gerichte fördert das mediative Vorverfahren vor allem ein für das Verhältnis Bürger-Staat unabdingbares Element: die Akzeptanz.