Möglichkeit und Inhalt eines Notstandsrechts.
Eine grundlegende Untersuchung. Zugleich ein Beitrag zur kantischen Rechtsphilosophie.
Gunnar Helmers
Notstand als Rechtfertigungsgrund setzt weder voraus, dass der von einer zur Notbeseitigung erforderlichen Notstandstat Betroffene in den Zugriff einwilligt, noch dass er sich diesen durch rechtswidriges Verhalten selbst zuzieht (in Abgrenzung zum Notwehrrecht). Ausgehend von den philosophischen bzw. logischen Grundlagen rechtlichen Urteilens wird ein Notrechtsbegriff entwickelt, der Umfang und Grenzen der einseitigen, rechtlichen Verfügbarkeit von an sich einem anderen zustehender Materie als Mittel zur Notabwendung definiert. Notstandsrechtlich nicht möglich sind Zugriffe auf die Person selbst (auf »angeborene« Materie); demgegenüber stehen erwerbliche Sachgüter einem erforderlichen Notstandszugriff zur Verfügung. Der entwickelte Begriff basiert auf der im Ansatz von Immanuel Kant erarbeiteten Rechts- und Privatrechtsbegründung. Kritisiert werden empiristisch-materiale Konzepte, wonach weitgehende Inanspruchnahmen des Menschen zu Zwecken anderer vertretbar erscheinen. In einem abschließenden, kasuistischen Teil wird die Leistungsfähigkeit des dargelegten Notrechtsbegriffs durch Bezug auf Sachverhalte des praktischen Lebens oder Lehrbuchfälle aufgezeigt und der Begriff dabei konkretisiert.
Die Arbeit wurde 2015 mit dem Promotionspreis der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg zur Förderung herausragenden wissenschaftlichen Nachwuchses ausgezeichnet (erster Preis).