Opus in fieri
Das ,Buch der Lalen’ als Buch der Natur des Menschen
Sylvia Jurchen
Verstehst du auch, was du liest? Wie rasch ist dein Urteil gefällt? Und wie leichtfertig oder verantwortungsvoll gehst du mit deinem Privileg, Sachwalter dieser Dinge sein zu dürfen, um? Noch immer leidet die Literatur des 16. Jahrhunderts zumindest in der älteren Germanistik an den Verdikten des 19. Jahrhunderts. Da sich in der Zwischenzeit gleichwohl eine spezialisierte Philologie der frühen Neuzeit etabliert hat, lassen sich für einige Dichtungen der Epoche ganz erstaunliche narrative Phänomenlagen konstatieren. Am Lalebuch (1597) und seinen Fortsetzungen lassen sich diese nicht nur aufzeigen, sondern in ihrem utopischen Potential auch vor dem Hintergrund frühneuzeitlicher ars corrigendi als Sinnbild kritischer ars vivendi verstehen. Die vorliegende Monographie stellt sich der Disparität des historischen Lalebuchs, indem sie mit Horaz danach fragt, worin Ziel und Zweck in der zwieträchtigen Eintracht der Stoffe besteht. Forschungsseitig knüpft sie dabei an jene Studien an, die das Lalebuch in die Tradition der menippeischen Satire stellen. Inwiefern das frühneuzeitliche Werk als ein opus in fieri noch dem philosophischen Ursprungsgeist der Gattung verpflichtet ist, wird zu zeigen sein.