Puca in Ohlsdorf von Bardi,  Anna, Friesel,  Uwe

Puca in Ohlsdorf

Ein Szenario

Das Szenario „Puca in Ohlsdorf“
zeigt auf dem Umschlag einen kleinen weißen Hasen, der mit Knopfaugen und einem aufgestellten Hasenohr über eine Brücke geht. Er ist Professor für Universalphilosophie an der Universität Sydney. Seine Forschung ist dem Mythos vom absoluten Ende gewidmet. Er ist eigens eingeflogen, um auf dem berühmten Hamburger Friedhof Ohlsdorf mit der seelenverwandten Hamburger Malerin, Videokünstlerin und Autorin Anna Bardi über das Thema Vergänglichkeit zu diskutieren.
Sein Name (auch Puka oder Phooka oder Pooka) entstammt der keltischen Mythologie. Wie die Derwische kann er von Alters her ausgedehnte Zeitreisen unternehmen und dabei Tiergestalt annehmen. Bei Shakespeare heißt er Puck. Auf Segelschiffen kennt man ihn als Klabautermann. In dem berühmten Schwarzweiß-Film „Mein Freund Harvey“ wiederum ist er ein über zwei Meter großer unsichtbarer Hase, der lebhaft mit dem manchmal etwas zu viel trinkenden James Steward kommuniziert.
Die stets Nüchternen indes nehmen ihn gar nicht wahr.
Puca ist seelenverwandt mit dem russischen Dichter Dostojewski. Das erkennt man am besten am „Café der toten Dichter“ von Bardi, das erst lange Zeit auf dem St. Petersburger, dann auf dem Ohlsdorfer Friedhof stand und auf dessen Glashaus-Wänden in Russisch und Deutsch viele einschlägige Dostojewski-Zitate zu lesen sind. Zum Beispiel: „Heute ist wieder alles da: Trauer und Trübsal und Langeweile.“ Oder: „Das Herz ist eine Sache für sich.“ Oder, noch näher an Bardi und ihrem Hasen-Freund: „Natürlich gehe ich auch jetzt nicht in ein Paradies. Aber was soll ich denn tun?“
Es war deutlich, hier trafen sich Gleichgesinnte. Vielleicht saßen ja auch auf den mit weißem Stoff umwickelten Stühlen noch andere Denker aus wer weiß wie vielen Jahrhunderten um den Tisch herum, um über Zeit und Vergänglichkeit zu fachsimpeln? Oder zu streiten. Tatsächlich hat der Kunsthistoriker Thomas Sello inzwischen in der Hamburger Kunsthalle ein Ölbild von Erich Heckel aufgetan, das zwei Männer an einem ebensolchen Tisch zeigt, nämlich den Fürsten Myschkin und seinen Widersacher Rogóshin aus Dostojewskis Roman „Der Idiot“.
Unvergessen auch Bardis Video-Spaziergang mit Professor Puca ans Ufer der Newa in St. Petersburg im Jahre 2007, wo die beiden beim Reiterstandbild Peters des Großen eine Pause einlegten: sehr zur Freude der Hochzeitspaare, die sich hier tagtäglich fotografieren lassen. Unbedingt wollten sie nun diesen rätselhaften Hasen mit aufs Hochzeitsbild bannen.
Puca, der Zeitreisende, ist also neuerlich vielfach dokumentiert, ob nun in russischen Presseberichten oder auf privaten Hochzeitsfotos. Und zwar in der Gestalt, die Anna Bardi ihm in ihrem Hamburger Atelier gegeben hat: der eines knickohrigen Hasenprofessors mit Knopfaugen.
Im vorliegenden Szenario „Puca in Ohlsdorf“ nun treffen wir ihn erneut, fotografisch dokumentiert und mit knappen Stichworten zu den einzelnen Szenen. Nur die achte Szene ist ausgearbeitet, das „Gespräch unter den Graswurzeln“. Ja, Prof. Pucas Besuch in Ohlsdorf antizipierend hat sie von diesem Gespräch sogar ein Video hergestellt und selbst den weiblichen Part darin übernommen.
Der geneigte Leser findet diese DVD unter der hinteren Einbandklappe. Ein witziges, nachdenkliches, völlig aus der Rolle fallendes Multi-Media-Buch einer leider zu früh verstorbenen, großartigen Künstlerin.

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