Schürzennäherinnen
Die Fabrikantin und die Kriessner 'Mädchen'
Jolanda Spirig
Das renommierte Schweizer Prêt-à-porter-Unternehmen Akris wurde 1922 in St. Gallen als Schürzenfabrik gegründet – von Alice Kriemler-Schoch (1896–1972). Vierzehn Tagebücher zeugen vom Alltag der engagierten Fabrikantin, die mitten in der Stadt Hühner hielt und kurz vor ihrem 63. Geburtstag die Fahrprüfung ablegte. Sie erweiterte das Unternehmen zur Kleiderfabrik, lotste es durch die Weltwirtschaftskrise und den Zweiten Weltkrieg – und verteidigte ihre Schürzenproduktion, bis das Schürzentragen aus der Mode kam. Zwischen 1946 und 1966 betrieb Akris eine kleine Schürzennäherei in Kriessern. Wie lebten diese Näherinnen? Wie wuchsen sie auf in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, als das Stadt-Land-Gefälle riesig und die Bildungschancen für Mädchen gering waren? Die Porträts der neun Rheintalerinnen geben Einblick in eine längst vergangene Welt, geprägt durch Kinderarbeit, Marienlieder, Armut und Autoritätsgläubigkeit. Die Mädchen hüteten Kühe und Kinder, stachen Äcker um und ernteten Erbsen. Als junge Frauen nähten sie Schürzen. Den Verdienst gaben sie zu Hause ab, eine Lehre lag nicht drin. Das gemeinsame Nähen im ‚Büdeli‘ hat die Kriessnerinnen verbunden. Sie nannten sich ‚Kriemlera‘ – nach ihrer Chefin Alice Kriemler-Schoch, die ihrerseits von den Kriessner ‚Mädchen‘ sprach. Auch sie war auf einem kinderreichen Bauernhof aufgewachsen und hatte als Schürzennäherin begonnen.