Studien zu den Geheimwissenschaften
Teil 1. Unser magisches Weltbild - Tatsachen und Probleme
Carl Du Prel
Das Gebiet der Mystik gleicht vielfach einem noch unerforschten Urwald, und die Scheu der modernen Wissenschaft, ihn zu betreten, lässt sich wohl begreifen, wenn auch nicht rechtfertigen. Es sind mir leider sehr wenige Pfadfinder vorausgegangen. Die Naturwissenschaft hat sich bisher mit der Geheimlehre fast noch gar nicht beschäftigt, und hilft sich damit, die Probleme derselben einfach zu leugnen.
Nun ist es aber in diesem Gebiet mehr als in jedem anderen geboten, den Leser nur allmählich und von unbestreitbaren Tatsachen ausgehend in dieses noch so wenig erforschte dunkle Reich einzuführen, worin er – das kann gleichwohl schon heute behauptet werden – die Lösung jener quälendsten aller Rätsel finden wird, welche – das beweist die Geschichte der Philosophie – nicht gelöst werden konnten, solange man dieses nahrhafte Tatsachenmaterial nicht verwertete.
Im Übrigen gilt von der vorliegenden Schrift das Gleiche, was von meinen übrigen einschlägigen Schriften: Ich will nicht die wohlgesicherten Resultate der modernen Wissenschaft in Frage stellen, wohl aber die wissenschaftliche Untersuchungsmethode auf ein neues vernachlässigtes Feld hinweisen. Ich will nicht die Wissenschaft in einem mystischen Nebel auflösen, sondern vielmehr den mystischen Nebel wissenschaftlich erhellen.
In der Tat werden die mystischen Tatsachen, denen ein solcher Forscher begegnet, nur von denjenigen geleugnet, die sich geflissentlich davon fern halten. Dagegen ist ausnahmslos ein Jeder, der sich die Mühe gemacht hat, sie eingehend zu untersuchen, zu einem Paulus geworden. Das sollten die Gegner denn doch bedenken, und sollten nicht Jeden für verloren erklären, der das dunkle Reich betritt, in das sie sich nicht hineinwagen. Hat der dunkle Weltteil im Süden Europas seine Erforscher und Eroberer gefunden, so werden sich solche wohl auch für das dunkle Reich der Mystik finden, und ein ungeahnter Erkenntniszuwachs wird der Lohn für die Menschheit werden.
Leider verachtet auch die Wissenschaft heute noch die Pfadfinder der Geheimlehren, – aber schon bald wird sie selbst mit ameisenartigem Fleiß jenes Gebiet durchforschen und dann einsehen, was Schopenhauer schon vor Jahrzehnten gesagt hat: „Die in Rede stehenden Phänomene sind, wenigstens vom philosophischen Standpunkt aus, unter allen Tatsachen, welche die gesamte Erfahrung uns bietet, ohne allen Vergleich die wichtigsten, daher sich mit ihnen gründlich bekannt zu machen die Pflicht jedes Gelehrten ist.“
Wer sich mit der Geschichte der parapsychologischen Forschung näher beschäftigt, für den ist der Name Carl du Prel geradezu der Inbegriff vorurteilsfreier und gründlicher Forschung auf dem Gebiet der so genannten Grenzwissenschaften. Er erkannte den weltanschaulichen Wert dieser Forschung und den in ihr liegenden Schlüssel zur Überwindung des Materialismus. „Der Mensch ist durch die Wissenschaft herabgewürdigt worden. Man hat uns glauben machen wollen, er sei nur die Summe von Eltern und Amme, von Erziehung und leiblicher Nahrung. Aber der Mensch ist überhaupt keine Summe, sondern eine Einheit, eine metaphysische Individualität. Man gebe ihm diesen Glauben zurück, so wird er sich seiner auch würdiger benehmen.“Studien auf dem Gebiet der Geheimwissenschaften, Erster Teil: Tatsachen und Probleme“ (Carl du Prel)