Überkompensatorische Schmerzensgeldbemessung?
Ein Beitrag zu den Grundlagen des § 253 Abs. 2 BGB n. F.
Christian Armbrüster, Horst Baumann, Helmut Gründl, Stefan Müller, Helmut Schirmer, Hans P Schwintowski, Wolfgang Zschockelt
Dem Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB n. F.; § 847 a. F.) wohnt nach traditioneller Meinung neben der Ausgleichsfunktion auch eine Genugtuungsfunktion inne, mittels derer insbesondere in Fällen qualifizierten Schädigerverschuldens eine Erhöhung der Ersatzsumme bewirkt werden soll. Dieser Ansatz provoziert Rechtsunsicherheit: So interpretiert die Rechtsprechung die Genugtuungsfunktion als unauflöslichen Bestandteil des Ausgleichszwecks, während das neuere Schrifttum diese Funktion zunehmend als anerkanntes pönales Element der Privatrechtsordnung versteht.
Stefan Müller hat die bestehenden Gegensätze zum Anlass für eine tief greifende Untersuchung der dogmatischen Grundlagen des Schmerzensgeldes genommen. Da es sich bei § 253 Abs. 2 BGB n. F. um eine genuin schadensersatzrechtliche Norm handelt, für deren Anwendung der Verschuldensgrad des Schädigers ebenso unerheblich ist wie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien, findet eine überkompensatorische Schmerzensgeldbemessung nicht statt. Somit bedarf es weder einer Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes noch einer den Umfang des Ersatzes beeinflussenden Präventionsfunktion.
Abschließend werden die Friktionen aufgezeigt, welche das herrschende Genugtuungsverständnis für die seit den Gesetzesänderungen der Jahre 2001/2002 zunehmend wichtiger werdenden Fälle der Schmerzensgeldhaftung für drittverursachte Schäden einschließlich versicherungsrechtlicher Probleme hervorruft.