Väter als Täter
Sexuelle Gewalt gegen Mädchen: «Erinnerungen sind wie eine Zeitbombe»
Barbara Kavemann, Ingrid Lohstöter
Das Opfer muß die Folgen tragen. Alle Kinder brauchen Liebe, körperliche Zärtlichkeit und emotionale Wärme. Alle Mädchen brauchen Anerkennung ihrer Weiblichkeit, um zuversichtlich in ihr späteres Leben als Frau hineinwachsen zu können. Wenn ihnen statt dessen sexuelle Gewalt begegnet, wenn sie in der eigenen Familie als Sexualobjekt benutzt werden, entstehen Verletzungen, an denen die Frauen oft lebenslang zu tragen haben. Zwei Expertinnen erstellten für den Deutschen Jugendbericht 1983 ein Gutachten über sexuellen Mißbrauch in der Familie. In diesem Buch beschreiben sie darüber hinaus, was sie in langen Einzelgesprächen von den Betroffenen erfuhren. Die meisten Fälle von sexuellem Mißbrauch betreffen Mädchen, die meisten Täter sind in der allernächsten Umgebung des Opfers zu suchen. Diese schreckliche Wahrheit will freilich niemand wissen. Auch die Betroffenen schweigen, weil sie nicht auf Hilfe hoffen können. «Väter gelten nicht als Täter, sondern als Beschützer. Das vergrößert Vertrauensseligkeit und Unbefangenheit der Mädchen, aber auch – wenn wirklich etwas passiert – ihren Schock, ihre Schuldgefühle, ihre Ratlosigkeit. In welche Worte sollen sie das Unfaßbare auch fassen? Das Verschweigen des Mißbrauchs vergrößert den Handlungsspielraum der Täter. Sie müssen kaum Angst haben, daß ihre Taten entdeckt, daß sie zur Rechenschaft gezogen werden.»