Versprecher: Dissimilation von Konsonanten
Sprachproduktion unter spatio-temporalem Aspekt
Nora Wiedenmann
Dissimilation, seit A.F. Pott (1833) fast nur beim Sprachwandel beschrieben, wird in dieser Kasuistik als Konsonanten-Dissimilation beim Prozess des Versprechens behandelt: als Ferndissimilation, auch in externem Sandhi. Dissimilation bezeichnet hier einen Prozess der Sprachproduktion, aber auch dessen Ergebnis. Forscher zum Sprachwandel sind auf Schriftdokumente angewiesen, hier dagegen wurden nach einem Überblick zu Dissimilation im Sprachwandel spontansprachliche Daten im Vergleich zu Fragestellungen des Sprachwandels untersucht, aus den Versprecher-Corpora dreier Sammler: den Corpora der Jahrhundertwende von R. Meringer, dem hier erstmals ausgewerteten Corpus des Anglisten B. Kettemann und dem der Autorin. Nach der Beschreibung von Probanden-Idiosynkrasien, der Versprecherkategorien und der zur Nominaldaten-Analyse mit Lautfrequenzen gesprochener Sprache gewichteten Daten wird Konsonantendissimilation entsprechend G. Lindners Sprechgesten-Kriterien auf Zeitlupenfilmaufnahmen-Basis und bezüglich Zungenbrechern, Diadochokinese und Sprechtempo diskutiert. Neben Übereinstimmungen mit Sprachwandeldaten ergaben sich Kausalitäten, die noch weitere Grundlagenforschung zu spatio-temporalen Sprachproduktionsprozessen erfordern: Regressive Dissimilation beruht auf Kollision von Intentionenimpetus, die häufigere progressive Dissimilation auf der von Muskelinnervationenimpetus im Lautvorspann – Dissimilation ist geradezu unvermeidbar in den sprachsystem-universellen Prozessen des Menschen zur Äußerung einer Vielzahl unterscheidbarer Sprachlaute mittels der relativ geringen Anzahl nur verfügbarer, sich so zwangsweise in kurzem Zeitraum wiederholender Artikulationen.