Von Mussolini zu Salvini
Italien als Vorreiter des modernen Nationalpopulismus
Lorenz Gallmetzer
„Quo vadis, Italia?“ oder: Radikale Rechtswende in Italien. Nach 15 Monaten ist das einmalige Experiment einer extrem nationalpopulistischen Regierung im Herzen des traditionellen Europa zerbrochen. Die Konflikte zwischen der rechtsradikalen, nationalistischen „Lega“ Matteo Salvinis und der Antisystem-Bewegung Beppe Grillos „Movimento 5 Stelle“ hatten sich zugespitzt. Nach spektakulärem Erfolg bei den EU-Wahlen und einem Höhenflug in den Umfragen griff Salvini nach der ganzen Macht, wollte Neuwahlen. Eine Fehlkalkulation durch Selbstüberschätzung. Die 5-Sterne-Bewegung entschied sich durch fliegenden Wechsel zu einer Koalition mit der Linken. Salvini beschuldigt Macron, Merkel, Brüssel mit van der Leyen und die internationale Finanz als Drahtzieher eines „Coups“, um Italien zu schwächen. Und er ruft das „Volk auf die Straße“ zu einer Art Marsch auf Rom, um gegen die „gestohlenen demokratischen Wahlen“ anzukämpfen. Das verschärft die seit Monaten andauernde Debatte über die politische Natur der populistischen Kräfte in Italien und ganz Europa. Wie sind sie einzuordnen, zu benennen: totalitär, präfaschistisch, autokratisch, illiberal, souveränistisch oder einfach nur populistisch? Fakt ist: Italien als kränkelnden Sonderfall oder „das schwächste Glied in der Kette“ der EU zu belächeln, wäre fatal – denn ein Reißen dieser Kette hätte schwere Folgen für ganz Europa.Lorenz Gallmetzer zeigt auf, welche historischen Faktoren die derzeitige Entwicklung möglich machten und welche zweifelhafte „Vorreiterrolle“ Italien stets einnahm. Benito Mussolinis politische Massenbewegung und Diktatur diente als Vorbild für den Faschismus von Portugal bis Jugoslawien und inspirierte Hitler, während der Medienzar und dezidierte Nicht-Politiker Silvio Berlusconi Donald Trumps Politstil vorweggenommen hat. Auch den aktuellen Zuständen in Wirtschaft, Verwaltung, Justiz und Infrastruktur mit besonderem Fokus auf Korruption und der aggressiv-restriktiven Migrationspolitik wird Rechnung getragen. Eine messerscharfe Analyse, die deutlich macht, dass der Aufstieg der radikalen Rechten zur stärksten Kraft in einem der bedeutendsten Staaten der Eurozone mehr ist als eine der gewohnten „Krisen all’italiana“.