Westorientierung im deutschen Protestantismus?
Vorstellungen und Tätigkeit des Kronberger Kreises
Thomas Sauer
Die konfessionellen Verhältnisse in Deutschland sind durch die staatliche Teilung stark verändert worden. Erstmals seit Gründung des Kaiserreichs herrschte in einem deutschen Staat konfessionelle Parität zwischen Protestanten und Katholiken. Viele Evangelische glaubten deshalb, der Protestantismus habe seine dominierende kulturelle und gesellschaftliche Stellung, die er nach 1871 errungen hatte, an den Katholizismus verloren. Der Protestantismus war unter diesen neuen Bedingungen gezwungen, seine Rolle in der westdeutschen Gesellschaft zu finden und zu behaupten. Dieser Prozeß blieb nicht frei von tiefreichenden Spannungen zwischen unterschiedlichen kirchlichen Gruppen.